Die Datenschutzgrundverordnung, kurz DSGVO, löst bei vielen Menschen eher negative Assoziationen aus – von Unbehagen über lästige Pflicht bis hin zu Langeweile. Auch bei Lisa Urbaneck. Die Juristin hat sich gedacht, dass das besser gehen kann es sich zur Aufgabe gemacht, Unternehmen dabei zu unterstützen, das komplexe Thema Datenschutz transparenter zu machen. Seit 2021 berät die Co-Gründerin der Clandestine GmbH Firmen und Mitarbeitende, bietet Workshops an und verfolgt dabei einen interaktiven Ansatz.
von Silke Goller
„Daten sind das Gold des 21. Jahrhunderts“, sagt die 36-Jährige und erklärt: „Ich stelle eher die Sicht des Unternehmers in den Fokus: Als Unternehmen hat man den Eindruck gewonnen, dass man mit Daten nichts mehr machen darf. Das stimmt so aber nicht. Man muss es nur richtig machen. Nämlich in erster Linie transparent.
Wenn die Menschen wissen, wofür sie ihre Daten hergeben, ist es für die meisten OK. Mir geht es darum, die negative Haltung aus den Köpfen zu bekommen.“ Sie könne verstehen, dass viele Leute vom Datenschutz genervt seien – genau an diesem Punkt setze sie mit ihrer Dienstleistung an.
Lisa Urbaneck geht es darum, mehr Transparenz, Leichtigkeit und eine Portion Spaß in die Beschäftigung mit Datenschutz zu bringen: „Die einfachen Formulierungen ziehen sich durch meine gesamte Arbeit. Was die Paragrafen angeht, geht es in offiziellen Dokumenten leider nicht immer ohne. Darum kümmere ich mich dann“, verspricht die gebürtige Niedersächsin, die das Unternehmen gemeinsam mit ihrem Mann Patric gegründet hat.
Datenschutz mal anders
Das Portfolio der Clandestine GmbH mit Sitz in Bielefeld umfasst neben Schulungen von Mitarbeitenden und Datenschutzaudits auch ein „Rundum sorglos Paket zur DSGVO Compliance“, zudem fungiert Urbaneck als externe Datenschutzbeauftragte.
„Ich selbst habe Datenschutz lange Zeit als lästig empfunden und daher nach einem Weg gesucht, mein Angebot so zu gestalten, dass es wirklich jeder verstehen kann“, beschreibt die Unternehmerin ihre Motivation, sich diesem Thema auf andere, auf agile, Weise zu nähern. „Ich möchte meine Kunden, darunter sind auch viele Start-ups, dabei unterstützen, dass ihr Unternehmen DSGVO-konform wird. Dass sie über sämtliche notwendigen Dokumente verfügen und verstehen, wie wichtig das Thema ist“, erklärt die Mutter zweier kleiner Kinder.
Die Schulungen für Mitarbeitende habe sie so konzipiert, dass alle abgeholt werden: „Mein interaktives Format bezieht die Teilnehmenden aktiv mit ein. Wir vermitteln, was Beschäftigte wirklich wissen müssen, überfrachten das Ganze aber nicht. Außerdem sind meine Dokumente zum Nachlesen als hübsch gestaltete 2-Pager mit Fotos erstellt, denn zehn Seiten nur Text liest heute niemand mehr.“
Lisa Urbaneck hat fünf Jahre in Australien gelebt
Lisa Urbaneck strahlt Offenheit und Zielstrebigkeit aus. Sie bezeichnet sich selbst als jemanden, der schnell und gerne neue Menschen kennenlernt. Eine Eigenschaft, die sicher mit ihrem Lebenslauf zusammenhängt, der nicht so straight verlaufen ist, wie man vielleicht vermuten könnte.
„Ich bin schon als Kind oft mit meinen Eltern umgezogen und nach dem Abitur 2007 erstmal für ein Jahr nach Australien gegangen. Geblieben bin ich dann fünf Jahre“, erzählt die sympathische Gründerin und lacht. Dort hat sie zunächst in der Gastronomie gejobbt und es später bis zur Restaurantmanagerin im „Bavarian Bier Café“, das von einem Deutschen gegründet wurde, gebracht. Aus dieser Zeit rührt auch ihre Affinität zur englischen Sprache: „Eigentlich spreche ich lieber Englisch als deutsch“, gesteht sie und streut im Laufe des Gesprächs – wie zur Bestätigung – immer wieder englische Begriffe ein, da diese ihr schneller in den Sinn kommen als deutsche Wörter.
Agiler Mindset
Zurück in Deutschland, nimmt Urbaneck ein Jurastudium in Düsseldorf auf und schließt dieses auch ab: „Aber mit Leidenschaft war ich nicht bei der Sache“, räumt sie offen ein. „Juristen suchen generell eher nach Problemen, ich aber lieber nach Lösungen. Ich habe einfach festgestellt, dass ich nicht so richtig in diesem Studium aufgegangen bin, mich hat es eher ins Marketing gezogen.“
Es folgt eine Referentenstelle beim IT-Vorstand der ERGO-Versicherung. „Dort hatte ich viel mit Strategiethemen zu tun, unter anderem habe ich viel über agiles Arbeiten gelernt. Ein stressiger Job, in dem ich aufgegangen bin. Mein Chef hat mich super unterstützt und gefördert, aber ich habe immer öfter darüber nachgedacht, ob ich auf Dauer in einem großen Konzern arbeiten möchte. Ich wollte freier und flexibler sein, selber Entscheidungen treffen“, erzählt die Juristin.
Sich selber Grenzen eingestehen
Während dieser Zeit lernte sie ihren Mann kennen, „einen Vollblutjuristen mit Hang zum nerdig sein“, wie sie scherzhaft sagt. Im Herbst 2020 wurde ihre erste Tochter geboren, während der Schwangerschaft musste Urbaneck kürzertreten. Eine Phase, in der sie verstärkt über eine Selbstständigkeit nachdachte und in der ihr Mann eine eigene Kanzlei gründete: „Ich hatte die Idee, Business und Jura zu ‚verheiraten‘. Daraus geworden ist unsere Dienstleistung, das Thema Datenschutz für Unternehmen einfacher zu machen“, beschreibt sie ihren Findungsprozess.
Gegründet haben die Urbanecks die Clandestine GmbH dann im Frühjahr 2021. Mittlerweile wohnt das Ehepaar in Ostwestfalen, da Patric Urbaneck aus Vlotho stammt. „Es war ein harter Start, da ich aufgrund der Corona-Pandemie keine Betreuung für meine Tochter hatte. Ich musste lernen, dass es okay ist, wenn ich langsam starte und mir Grenzen eingestehen. Das war ein Prozess und es hat gedauert, bis ich das klar hatte.“
Das sei auch ein Tipp an potenzielle Gründerinnen: „Selbstständigkeit ist wie eine Reise, man ist nicht sofort am Ziel. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Kunden viel mehr Verständnis haben als man denkt. Man kann durchaus sagen, dass man aufgrund der Kinderbetreuung vielleicht vormittags keinen Termin anbieten kann, dafür aber in den Abendstunden. Es dauert, seine Balance zu finden und auch ich habe eine Persönlichkeitsentwicklung durchlebt.“
Netzwerken und Druck rausnehmen
Die Gründung als solche habe ihr nicht viele Probleme bereitet, erzählt Urbaneck: „Durch mein Jurastudium konnte ich alle Verträge selber checken und bei technischen Fragen kann ich auf meinen Mann zurückgreifen, ebenso setze ich bei komplizierten Fällen auf seine Expertise.“
Nicht alles auf einmal wollen, den Druck rausnehmen, den man sich selber mache und seinen eigenen Rhythmus finden – diese Ratschläge möchte Urbaneck anderen Gründungswilligen mit auf den Weg geben. Zudem setzt die Zweifach-Mama – ihr Sohn wurde 2022 geboren – auf Netzwerke. Ihr Tipp: „Sucht euch Menschen, mit denen ihr euch austauschen könnt. Ich bin mit vier Frauen in einer Mastermind-Gruppe. Wir sprechen beispielsweise darüber, wie man seine Homepage besser gestalten kann oder motivieren uns gegenseitig, wenn’s mal nicht so gut läuft.“
Dienstleistung auch europaweit anbieten
Inzwischen sei die Clandestine GmbH, die Start-ups und KMUs betreut, so weit, dass sie wachsen könne: „Es gibt noch viel Bedarf in den Unternehmen. Daher ist es wichtig, Aufmerksamkeit zu schaffen. Meine Arbeit ist nicht ortsgebunden, daher möchte ich mein Angebot langfristig auch europaweit anbieten“, beschreibt die Geschäftsfrau ihre Zukunftspläne. „Die Workshops sind für mich eine Herzensangelegenheit. Ich missioniere niemanden und bin auch nicht die Datenschutzpolizei. Aber wenn sich ein Unternehmen einmal daran gemacht hat, ein Datenschutzhandbuch zu erstellen und die notwendigen Datenschutzerklärungen parat hat, dann stellt sich Erleichterung ein. Datenschutz ist ein Thema, das in die Kultur der Unternehmen einziehen muss“, ist Urbaneck überzeugt.
Weitere mutige Gründerinnen im Porträt:
Regina Horn – die Verwandlungskünstlerin
Sarah Lübbers – die magische Buchhändlerin
Nadine Dyck – die Wissensvermittlerin
Kathrin Zuther – die Essensverbesserin
Lilia Kaiser & Valentina Fuge – die herzlichen Gastgeberinnen
Marina Bohn – die Saucenzauberin