Die Idee klingt simpel – sich für besondere Anlässe Kleider leasen, statt sie zu kaufen. Hinter dem Start-up e-dress von Emel Tumay versteckt sich eine digitale Fashion-Plattform. Von It-Pieces wie Designerkleidern bis hin zur passenden Tasche finden Frauen hier ihre Ausgeh-Garderobe. Doch nicht nur das: Hinter dem Motto „RENT, ROCK & RETURN“ steht ein Circular Fashion-Konzept.
von Silke Goller
Was ziehe ich an? Eine Frage, die wohl viele Frauen bewegt. Ob Hochzeit, Abiball oder Oper – für all diese feierlichen Anlässe muss ein passendes Outfit her; meist ein Abendkleid. Meist eine kostspielige Anschaffung, meist verbunden mit vielen Anproben und einer langen Suche. Das Thema Mode habe sie schon immer interessiert, erzählt Emel Tumay, durchaus in Verbindung mit Nachhaltigkeit: „Ich finde, in diesem Bereich wird noch zu wenig getan. Jede Frau kennt ja diese Kleiderkäufe, die nach einmaligen Tragen im Schrank landen und nie wieder getragen werden. Über dieses Verhalten bin ich schließlich auf meine Geschäftsidee gestoßen. Ich habe mich gefragt, warum nicht Kleider mieten statt sie zu kaufen?“
Die Gründerin möchte dazu beitragen, das Konsumverhalten zu ändern. Für die 26-Jährige ist Fashion viel mehr als nur Kleidung, die wir tragen: „Für mich ist sie Ausdruck von Individualität, Selbstbewusstsein und den Werten, die wir vertreten. Durch das Verleasen von Designer-Mode ermöglichen wir unseren Kundinnen, gleichzeitig nachhaltig zu agieren.“
Alle Kleider im Top-Zustand und gereinigt
Und so funktioniert das Geschäftsmodell, das seit September 2023 online ist: Auf der Website von e-dress finden Kundinnen bundesweit eine Auswahl von Kleidern in verschiedenen Farben, in unterschiedlichen Längen und Stilrichtungen – von Designerkleidern, zeitlosen Klassikern bis hin zu alltagstauglichen Outfits. Insgesamt hat Tumay bereits 25.000 Euro in die Kleider investiert. Aus finanziellen Gründen sei es nicht möglich, jedes Kleid in jeder Größe vorrätig zu haben, aber in der Regel sei es in zwei bis drei Größen verfügbar.
So gebe es Kleider von 34 bis 44, das teuerste habe einen Neuwert von 2.000 Euro. Verliehen werden die Kleider immer nur für vier Tage, meist übers Wochenende. Das günstigste Kleid kostet pro Tag 22 Euro Miete, das teuerste 89 Euro. Dahinter stecke ein ausgeklügeltes System erklärt Tumay: „Unsere Artikel werden sorgfältig geprüft, gereinigt und im Top-Zustand geliefert, so dass die Trägerin sicher sein kann, bei dem jeweiligen Event im Rampenlicht zu stehen.“ Zusätzliche Sicherheit, ein gereinigtes Kleid zu tragen, bietet ein schwarzes Band, das am Träger befestigt ist und das vor dem Tragen entfernt werden muss.
Dieses fungiert quasi als Qualitätssiegel: „Ich habe festgestellt, dass das für viele Kundinnen ein Hemmnis darstellt. So können wir jedoch für die Sauberkeit garantieren. Unsere Kleider sind wie neu.“ Darauf legt die Shop-Betreiberin großen Wert. So biete sie bei Nichtgefallen kostenlose Retouren sowie eine Geld-Zurück-Lösung an. Zudem komme ein Kleidungsstück nur so oft zum Einsatz, bis es den Qualitätskontrollen nicht mehr standhalte.
Geschäftsmodell ausweiten
Auch wenn ihr Geschäftsmodell digital bleiben soll, erweitert es Tumay gerade um eine Kooperation mit dem Brautmodengeschäft Bridalism Reloved Concept in Bielefeld: „Ich habe seit Mitte Januar einen Showroom angemietet, in dem ab sofort Termine vereinbart werden können. So können Kundinnen aus der Umgebung die Kleider auch vor Ort anprobieren. Kommt es zu einem Mietvertrag, läuft alles Weitere über die Website. Diese Variante ist natürlich nachhaltiger, weil der Versand entfällt“, feilt die Gründerin weiterhin an ihrem Konzept. Auch die Anmietung eines Pop-up-Stores hält sie für denkbar. Ihr sei klar, dass viele Menschen Designerkleidung nicht in einem Atemzug mit Nachhaltigkeit nennen würden.
Tumay nähert sich dem anders: „Wir versuchen zu zeigen, dass auch Designer-Teile nachhaltig sein können. Man ohne schlechtes Gewissen ein teures Kleid tragen kann, da es ja im Umlauf bleibt. Daher habe ich eine kleine Vintage-Kollektion eingekauft, von den großen Namen wie Dior, Chanel und Yves Saint Laurent. Gut fürs Portemonnaie und gut für die Umwelt“, erzählt die modebewusste Gründerin. In vielen Dingen müsse sie noch den richtigen Weg finden, gesteht sie: „Ich möchte vermehrt in Kleider für besondere Events investieren, dazu muss ich aber wissen, ob zeitlose Mode besser läuft oder doch trendige Teile gefragter sind.“
Die sozialen Medien nutzt die Unternehmerin, um für ihren Shop zu werben, so ist sie auf LinkedIn, Instagram und auch auf TikTok aktiv. Tumay, die sich vor ihrer Gründung in anderen Ländern umgeschaut und Marktrecherche betrieben hat, weiß: „In Ländern wie Amerika oder England ist der Verleih von Kleidern total etabliert, daher sehe ich in Deutschland noch viel Potenzial.“ So könne sie sich den An- und Verkauf von Kleidern als weitere Option für ihren Shop vorstellen, darum möchte sie ihren Kundenstamm erweitern. Auch über eine Auswahl an Kleidern in Plus-Size-Größen habe sie nachgedacht, denn Diversität spiele auch in der Mode eine Rolle.
Mitgründerin willkommen
Die Geschäftsführerin, die aus Stadthagen kommt, hat in Bielefeld Soziologie und Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Marketing studiert. Nach ihrem Studium, das sie mit dem Bachelor of Arts abgeschlossen hat, arbeitete Tumay im Bereich Social Media und war für die Suchmaschinenoptimierung verantwortlich: „Irgendwie war das nicht das Richtige für mich, aber da hatte ich noch nicht die Idee, zu gründen“, beschreibt sie ihren Findungsprozess.
Derzeit wird sie von zwei Werkstudentinnen unterstützt, ist aber auch offen für eine Mitgründerin: „Ich habe den Shop zwar alleine aufgebaut, aber ich bin sehr daran interessiert, das Geschäftsmodell auszuweiten. So könnte man sich gegenseitig entlasten, gegenseitig motivieren und gemeinsam neue Ideen entwickeln.“ Um Kontakte zu knüpfen, setzt Tumay auf Netzwerke wie das der WEGE, der Founders Foundation oder des Pioneers Club. In diesem hat sie vor kurzem einen Schreibtisch angemietet: „Hier kann man sich super mit anderen austauschen und es gibt immer jemanden, der einen guten Tipp hat“, schätzt sie die kreative Atmosphäre dort.
Tipp: Nicht auf den richtigen Moment warten
Den Sprung in die Selbstständigkeit bereut Tumay nicht: „Im Gegenteil. Ich würde es immer wieder tun, habe aber auch Lehrgeld bezahlt“, resümiert die Powerfrau, die ohne Ersparnisse in das Abenteuer Gründung gestartet ist. Nachdem sie ihren Job gekündigt hatte, kümmerte sie sich zunächst um die Marktrecherche. Über Fördermöglichkeiten habe sie sich bei der WEGE informiert, erste Tipps bei den Gründungsberatern der IHK Ostwestfalen eingeholt, zudem sei sie bei Steuerberatern und Banken vorstellig geworden und habe Rat beim Center for Entrepreneurship der Hochschule Bielefeld gesucht.
Dann habe sie ihren Business-Plan geschrieben, alles für einen KfW-Kredit vorbereitet und sich für ein Gründerstipendium beworben. Mit Erfolg. „All diese Themen kannte ich weder aus der Schule noch aus dem Studium. Mein Learning war, dass ich viel zu viel Geld in die Beratung bei Anwälten gesteckt habe. Diese sprechen jedoch keine Empfehlungen aus, die man gerade als Start-up aber benötigt. Auch sollte man immer gut auf alles vorbereitet sein, weil jede Frage Geld kostet, das man als Gründer einfach nicht hat“, so ihr Tipp für Gründungswillige.
Um Geld zu sparen, habe sie ihr Marketingwissen genutzt, um ihre Website allein zu gestalten: „Ich habe ein Mentoring durchlaufen, wollte mich aber nicht von einer Marketingagentur abhängig machen und es selber lernen. So kann ich Anpassungen nun selbst vornehmen“, freut sich Tumay. Ihr Rat an alle, die sich mit dem Gedanken der Selbstständigkeit tragen: „Nicht auf den richtigen Moment warten und nicht zu lange nachdenken. Dann hätte ich es nicht gemacht. Und gut wäre es auch, sich schon früh nach Fördermöglichkeiten zu erkundigen.“
Zurück zu den Traumkleidern. Schon bald steht der Frühling vor der Tür und die Ballsaison wird eröffnet. Ob Emel Tumay eine Empfehlung hat? Da muss die hübsche Frau mit den langen dunklen Haaren nicht lange überlegen: „Ich selbst bin ein Fan von hochwertigen schwarzen Kleidern. Zudem ist rot und schlicht auch immer eine klassische Wahl.“ Oder einfach selbst stöbern bei e-dress und sich inspirieren lassen.
Weitere mutige Gründerinnen im Porträt:
Regina Horn – die Verwandlungskünstlerin
Sarah Lübbers – die magische Buchhändlerin
Nadine Dyck – die Wissensvermittlerin
Kathrin Zuther – die Essensverbesserin
Lilia Kaiser & Valentina Fuge – die herzlichen Gastgeberinnen