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Nationale CO2-Bepreisung: Ein Risiko für die Wettbewerbsfähigkeit vieler Unterneh-men

In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Große Koalition das Thema CO2-Bepreisung noch ausgespart. Unter dem Eindruck des steigenden öffentlichen Drucks der vergangenen Monate hat das Klimakabinett der Bundesregierung am 20. September in nächtlicher Sitzung Eckpunkte für ein umfassendes Klimapaket vereinbart. Mit dabei: Die Entscheidung für einen nationalen Emissionshandel in den Bereichen Gebäude und Verkehr – also Sektoren, die nicht durch das europäische Emissionshandelssystem (EU-ETS) abgedeckt werden. Dazu soll der Handel auch die Emissionen in der Industrie und der Energiewirtschaft bepreisen, die nicht vom EU-ETS erfasst sind.

Wie bei den anderen Teilen des Klimapakets kann es der Bundesregierung nun bei der Gesetzgebung nicht schnell genug gehen. Nur wenige Stunden wurden dem DIHK und anderen Verbänden am 21. Oktober für eine Bewertung des komplexen Vorschlags gewährt, bevor das Bundeskabinett den Gesetzesentwurf am 23. Oktober verabschiedete. Und auch den Bundestag und den Bundesrat durchläuft das Gesetz derzeit im Eilverfahren. Deutlich wird die Übereiltheit auch in den zahlreichen Verordnungsermächtigungen. Ganz wesentliche Fragen sollen ohne Beteiligung der Parlamentarier und der Länder von der Bundesregierung entschieden werden können.

Bei der Ausgestaltung des Handelssystems ist jedoch äußerste Sorgfalt notwendig. Es muss so konzipiert werden, dass es kosteneffiziente Anreize zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen setzt und zugleich die Verdrängung von Emissionen ins Ausland (Carbon Leakage) vermeidet. Zu letzterem Ziel kann die europäische und internationale Anschlussfähigkeit des deutschen Handelssystems beitragen, die von Beginn an bei der Konzipierung berücksichtigt werden sollte. Auch darf nicht vergessen werden, dass nicht überall wirtschaftliche Alternativen zur Verfügung stehen und in diesem Fall die Bepreisung ein reines Abschöpfungsinstrument wird. Zudem sollte die Mehrbelastung aus dem nationalen Emissionshandel so direkt wie möglich an die Wirtschaft zurückfließen. Nur unter diesen Voraussetzungen können Nachteile für den Wirtschaftsstandort Deutschland vermieden und womöglich sogar ein positiver Impuls für Innovationen und zukunftsgerichtete Investitionen gesetzt werden.

Eine besondere Herausforderung ist die Bepreisung von Brennstoffen, die in der Industrie eingesetzt werden. Betroffen sind alle Industrieanlagen, die aufgrund ihrer Größe (weniger als 20 MW thermische Leistung) nicht im europäischen Emissionshandel erfasst sind. Wichtigster Energieträger für industrielle Prozesswärme ist Erdgas. Mit einer sukzessiv ansteigenden Bepreisung jeder Tonne CO2 von 10 Euro im Jahr 2021 auf 35 Euro im Jahr 2025 entstehen für Unternehmen mit einem hohen Prozesswärmebedarf deutliche Mehrbelastungen, denen europäische und internationale Wettbewerber nicht ausgesetzt sind.

Dem Wettbewerbsnachteil, der durch die hohen Strompreise in Deutschland gegeben ist, gesellt sich beim Gasbezug also ein weiterer hinzu. Ab 2027 soll nach derzeitigem Stand der Handel mit Zertifikaten ohne Höchstpreis erfolgen. Dann sind deutlich höhere Preise als im europäischen Emissionshandel insbesondere angesichts hoher CO2-Vermeidungskosten im Verkehr sehr wahrscheinlich. Es entsteht ein eklatanter Wettbewerbsnachteil für kleinere Industrieanlagen in Deutschland. Wann Wasserstoff eine wirtschaftliche Alternative zum Einsatz von Gas in der Prozesswärme darstellt, ist noch nicht absehbar. Sollte dies noch dauern, ist daher davon auszugehen, dass Industrieunternehmen für sich vor allem eine Konsequenz aus der CO2-Bepreisung ziehen: Investitionen am Standort Deutschland zurückzufahren. Dem weltweiten Klimaschutz würde eine solche Entwicklung einen Bärendienst erweisen, da Emissionen ins Ausland verlagert und voraussichtlich sogar steigen würden.

Deshalb ist eine Kompensation der sich abzeichnenden Wettbewerbsnachteile notwendig. Angesichts der vielen betroffenen Unternehmen muss auf eine bürokratiearme Regelung Wert gelegt werden. Sie sollte zudem im Gesetz zum nationalen Emissionshandel nicht nur per Verordnungsermächtigung in Aussicht gestellt, sondern konkret verankert werden. Als „Härtefallregelung für atypische Einzelfälle“ ist sie zudem bisher so restriktiv angelegt, dass sie kaum Wirkung entfalten würde.

Eine unternehmensindividuelle Kompensation ist auch für sonstige besonders vom nationalen CO2-Handel betroffene Unternehmen vorzusehen. Dazu zählen beispielsweise Logistiker im internationalen Wettbewerb. Zum Diesel-Lkw bestehen im Güterfernverkehr auf der Straße heute und auf absehbare Zeit keine wirtschaftlichen Alternativen. Die erhoffte Anreizwirkung der CO2-Bepreisung läuft damit ins Leere und es bleiben allein höhere Kosten, die kaum auf die Kunden abzuwälzen sind.

Nach dem Beschluss des Klimakabinetts ist eine breit angelegte Entlastung im Gegenzug zur Einführung des CO2-Emissionshandels in Form einer Senkung der EEG-Umlage vorgesehen. Diese fällt allerdings mit 0,25 Cent/kWh im Jahr 2021 und 0,625 Cent/kWh im Jahr 2023 zu gering aus, um einen wirksamen Entlastungseffekt zu entfalten. Tatsächlich stehen Be- und Entlastung in keinem angemessenen Verhältnis. Für die Wirtschaft als Ganzes steht im Jahr 2021 eine Entlastung von rund 450 Mio. Euro über die sinkende EEG-Umlage einer Belastung von rund 1,8 Mrd. Euro entgegen. Unklar ist auch, wie es nach 2023 weitergeht. Wann die konkrete gesetzliche Regelung hierzu tatsächlich kommt, ist zudem im Gesetzesentwurf völlig offen.

Insgesamt offenbart der Entwurf zum Brennstoffemissionshandelsgesetz noch viele Baustellen. Wichtige Regelungen, wie die Entlastung besonders betroffener Unternehmen, sind ungeklärt. Die Bundesregierung sollte sich und allen anderen Beteiligten ausreichend Zeit geben für eine solide und ausgewogene Ausgestaltung des Zertifikatehandels. Eine Ausgestaltung, die den Wirtschaftsstandort Deutschland stärkt und nicht schwächt.

Quelle: DIHK

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