Die deutsche Bundesregierung hat ihre gemeinsame Wasserstoffstrategie beschlossen. Im Ergebnis steht eine Wegbeschreibung, wie Wasserstoff als Energieträger und Rohstoff die Klimaschutzanstrengungen in Deutschland unterstützen und den Industriestandort voranbringen soll. Inzwischen ist es politischer Konsens, dass speicherbare, gasförmige und flüssige Energieträger, darunter maßgeblich Wasserstoff, nötig sind, um das Klimaziel von 95 Prozent CO2-Reduktion im Jahr 2050 zu erreichen.
Zum Einstieg in den Wasserstoffmarkt „sieht“ die Strategie einen Bedarf von 90 bis 110 TWh Wasserstoff in Deutschland (2020: rund 55 TWh) für das Jahr 2030. Hinzukommen soll der Verbrauch insbesondere bei der Stahlproduktion und der Elektromobilität mit Brennstoffzellen.
Um den Zusatzbedarf von rund 50 TWh zu decken, setzt die Strategie in den Maßnahmen schwerpunktmäßig auf die Produktion von grünem Wasserstoff in Deutschland. 14 TWh jährlich sollen mit einer Elektrolyseurleistung von dann 5 GW hergestellt werden. Die 20 TWh Ökostrom, die dafür nötig sind, sollen zusätzlich in Deutschland errichtet werden. Weitere Mengen zur Bedarfsdeckung sollen im europäischen Verbund erschlossen werden.
Für die Herstellung grünen Wasserstoffs in Deutschland soll die Befreiung des für die Elektrolyse verwendeten Stroms von der EEG-Umlage und eine Investitionskostenförderung für Elektrolyseure in der Industrie einen Anreiz bieten. Sogar Betriebskostenzuschüsse über ein Pilotprogramm für Carbon Contracts for Difference (CfD) für Stahl und Chemie wird es geben. Diese finanziellen Anreize und Subventionen werden damit begründet, dass die CO2-Bepreisung für die Wirtschaftlichkeit von „grünem“ Wasserstoff nicht ausreichen wird. Dennoch soll sie künftig das „zentrale Leitinstrument“ darstellen.
In der Farbenlehre hat sich damit politisch keine technologieneutrale Sichtweise durchsetzen können. Allein grüner Wasserstoff auf Basis erneuerbarer Energien wird auf Dauer langfristig als nachhaltig gewertet. Allerdings wird auch „blauer“ und „türkiser“ Wasserstoff in Deutschland gehandelt werden können. Dabei wird diesen Herstellungsverfahren die Aufgabe zukommen, die Lücken beim Ziel für CO2-neutralen Wasserstoff zu füllen.
Auf der Anwendungsseite will die Politik es weitgehend den Kunden überlassen für welche Anwendungen sie Wasserstoff nutzen dürfen. Gleichwohl soll ein Schwerpunkt in der stofflichen Nutzung auf schwer dekarbonisierbaren Industrieprozessen liegen, etwa in der Stahlerzeugung aber auch bei der Treibstoffherstellung. Die direkte energetische Nutzung soll zunächst im Verkehrssektor eine tragende Rolle spielen. Neben Lkw und Zügen sollen auch Pkw stärker Wasserstoff nutzen dürfen. Langfristig räumt die Strategie auch dem Wärmemarkt eine Rolle ein.
Der Markt für Wasserstoff soll europäisch ausgerichtet sein, was ein europäisches Definitions- und Zertifizierungssystem nötig machen wird. Transportiert werden soll der Wasserstoff in einem Netz, das neue Leitungen sowie umgewidmete Erdgaspipelines umfasst. Für die Anwendung im Verkehr soll das Tankstellennetz deutlich ausgebaut werden. Aktuell ist mit 1000 Tankstellen bis 2025 ein flächendeckendes Netz im Gespräch (Konjunkturpaket).
Deutschland ist großer Energieimporteur und wird es auch bleiben. Da der gehandelte Wasserstoff nicht allein aus Europa kommen kann, wird die Bundesregierung Partnerschaften mit bestehenden und potenziellen Energielieferanten suchen. Konkret sollen mit Partnerländern in der Entwicklungszusammenarbeit Pilotvorhaben zur Produktion von grünem Wasserstoff entwickelt werden.
Die Strategie hat nicht zuletzt eine industriepolitische Komponente. Neben der strategischen Anwendung zur Dekarbonisierung der Industrie soll der Aufbau einer wettbewerbsfähigen Zulieferindustrie rund um die Brennstoffzelle forciert werden. Hier können auch neue Wertschöpfungspotenziale erschlossen werden, die aufgrund des Strukturwandels in der deutschen Automobilindustrie verloren gehen. Forschung und Innovation werden als wird als strategisches Element verstanden. Im ersten Halbjahr wird daher zusätzlich eine Roadmap für eine deutsche Wasserstoffwirtschaft mit internationaler Leitwirkung aufgesetzt, die Forschungsbedarfe aufzeigen soll. Ergänzt wird diese um eine Forschungsoffensive „Wasserstofftechnologien 2030“.
DIHK-Einschätzung
Die Strategie betrachtet nahezu alle zentralen Themenfelder für die Etablierung einer integrierten Wasserstoffnutzung. Sie trifft mit dem Ziel für CO2-freien Wasserstoff und Elektrolyseleistung für 2030 klare Aussagen. CO2-freier Wasserstoff wird allerdings nicht technologieoffen bewertet. Aus Gründen der Wettbewerbsfähigkeit und der Technologieoffenheit ist die Engführung auf grünen Wasserstoff kritisch. Dass die Marktentwicklung über entsprechende Nachweise europäisch gedacht werden soll und damit auch immerhin „blauer“ CO2-neutraler Wasserstoff zum Einsatz kommen kann, ist positiv.
Der zentrale Knackpunkt der Wirtschaftlichkeitslücke bei der Produktion von grünem Wasserstoff wird im Gegensatz zu Entwurfsfassungen klar ausgeführt . Dass der CO2-Preis als zentrales Lenkungsinstrument benannt wird, unterstützen wir. Für die dennoch bestehende Lücke zur Wirtschaftlichkeit gibt die Strategie die Antwort über sinkende Stromnebenkosten für die Wasserstoffproduktion, insbesondere bei der EEG-Umlage. Mit der zusätzlichen Investitionsförderung sollen 5 GW Elektrolyseurleistung entstehen. Damit wird der Zusatzbedarf von 50 TWh nicht gedeckt werden können. Zumindest diese Lücke wird günstiger blauer bzw. kurzfristig grauer Wasserstoff füllen müssen.
Der Fokus der Handlungsfelder ist entsprechend der Relevanz in der Perspektive 2030 (Verkehr, Industrie) richtig gewählt. Auch die industriepolitische, internationale und europäische Dimension werden beleuchtet. Bei der Suche nach Wasserstoff-Exporteuren sollte Deutschland allerdings stärker auf die stärkere Schlagkraft einer EU-Initiative setzen.
Aus DIHK-Sicht fehlt allerdings eine vertiefende Betrachtung der Wasserstoffnutzung für die Prozesswärme. Die stoffliche Nutzung in Stahl und Chemie ist sehr wichtig, aber auch für die Treibhausgasminderung in der Hochtemperaturprozesswärme sollte Wasserstoff als Alternative etabliert und mit Maßnahmen unterlegt werden. Für den Verkehrsbereich fehlen Hochlaufszenarien für die einzelnen Verkehrsträger, die die sonst kontextlosen Zusatzbedarfe von 50 TWh Wasserstoff bis 2030 untermauern könnten. Damit könnte auch die Infrastrukturentwicklung bei Pipelines und dem Tankstellennetz klarer unterlegt werden.