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Marlene Gerber – die Entdeckerin

Wer einen Tipp für einen Ausflug benötigt, ist bei Marlene Gerber an der richtigen Adresse. Egal ob Freizeitpark, Museum, Schifffahrt oder Gartenkunst – die Geschäftsführerin der Westfalica-Verlag GmbH ist Expertin in Sachen Tourismus. Seit rund 25 Jahren erstellt der Verlag die Broschüren-Reihe „Hallo Tourist!“. Für Ziele in ganz Deutschland, zudem gibt es Empfehlungen über Landesgrenzen hinaus.

Von Silke Goller 

Jeden Tag hat Marlene Gerber ihn im Blick – Kaiser Wilhelm I. Von ihrem Schreibtisch aus wandert der Blick zu dem bekannten Denkmal auf dem Wittekindsberg, eines der bedeutendsten Nationaldenkmäler Deutschlands und das Wahrzeichen der Stadt Porta Westfalica. Es scheint, als schließe sich hier ein Kreis, denn die 56-Jährige hat sich beruflich der Tourismusbranche verschrieben. Seit 2000 produziert der Verlag die Reihe „Hallo Tourist!“, in der die bekanntesten Ausflugsziele einer Region vorgestellt werden.

FESTER KUNDENSTAMM

Nach einer kaufmännischen Ausbildung bei der Melitta Unternehmensgruppe und beruflichen Abstechern nach Hannover und Düsseldorf, immer mit dem Schwerpunkt Vertrieb, kehrte die gebürtige Ostwestfälin in die Region zurück. Als Vertriebsleiter-Assistentin zur Firma Gauselmann. Nachdem 1996 ihr Sohn Alexander und 1998 ihre Tochter Natalie geboren waren, musste sich Gerber entscheiden. „Beruflicher Stillstand kam für mich nicht infrage. Aufgrund mangelnder Kinderbetreuung habe ich überlegt, fortan von zuhause aus zu arbeiten. Ich habe mich an heimischen Fotokalendern und Ansichtskarten versucht. Daraus ist im Jahr 2000 dann der damalige Titel ‚Ausflugsziele rund um das Kaiser Wilhelm Denkmal‘ entstanden. Mit acht festen Anzeigenpartnern, die Auflage trug damals 40.000 Stück“, erzählt die Unternehmerin von ihren ersten Gehversuchen.

Zu den ersten Kunden zählten beispielsweise das Hubschraubermuseum Bückeburg, die Tourist Information Minden sowie das Staatsbad Bad Oeynhausen. Und das bis heute. Auch die Touristinfo Porta Westfalica, die Hermannsdenkmal Stiftung und andere heimische Kultur- und Freizeiteinrichtungen gehören seit vielen Jahren zum festen Kundenstamm.

„BRAUCHE EIN GEFÜHL FÜR DAS GEBIET“

Ein „schöner Nebeneffekt“ ihres Jobs sei das Reisen: „Ich brauche ein Gefühl für das Gebiet, deshalb nutze ich jede Gelegenheit, mir vor Ort ein Bild zu machen. Manchmal verbinde ich das mit einer privaten Reise, manchmal fahre ich aber auch gezielt Regionen ab“, beschreibt Gerber ihr Vorgehen, um möglichst viele ansprechende Ziele für die Leserinnen und Leser der Broschüren zu gewinnen. Dafür macht sie einen Abstecher in die jeweiligen Tourist-Informationen: „Das heißt aber nicht, dass ich in jedes Museum gehen kann oder alle Achterbahnen ausprobiere. Früher haben mein Team und ich dafür in den ‚gelben Seiten‘ recherchiert.“ Gerber bezeichnet sich selbst als sprachaffin, spricht beispielsweise Niederländisch und kennt sich mit Dialekten aus: „Ich habe mir die holländische Sprache selbst beigebracht, ich brauche solche Herausforderungen als Kopffutter. In unseren Broschüren bleiben wir aber deutschsprachig.“

VIELE KLEINODE IN DEUTSCHLAND

Die Verlagschefin ist ein quirliger, kreativer und fröhlicher Mensch. Ihren Job sieht sie als Berufung: „Manchmal telefoniere ich morgens mit einem Museumsdirektor und danach mit einem Schiffer. Für mich ist diese Abwechslung das Salz in der Suppe. Ich habe im Laufe meiner Berufsjahre viele tolle und reizvolle Regionen in Deutschland kennengelernt. Fährt man aus dem Ruhrgebiet Richtung Rheinland und weiter an die Mosel, erlebt man innerhalb von zwei Stunden eine andere Welt. Die Natur und die Architektur ändern sich und auch die Mentalität der Menschen. Es gibt viele Kleinode. Deutschland ist ein tolles Reiseland“, schwärmt die Touristikexpertin.

Vielen Deutschen sei erst in letzter Zeit – ausgelöst durch die Corona-Pandemie und die fehlenden Reisemöglichkeiten – die Schönheit des eigenen Landes bewusst geworden. Sie selbst habe oft einen Zettel und einen Kugelschreiber auf dem Beifahrersitz liegen, wenn sie unterwegs sei: „Dort notiere ich mir Sehenswertes, zum Beispiel, wenn ich eines der braunen Autobahnschilder sehe, die auf Besonderheiten der Region hinweisen.“ An Ostwestfalen gefällt Gerber insbesondere die Kombination von Teutoburger Wald und Weserläufen, aber auch die Thermen und Staatsbäder sowie Denkmäler, darunter die Sparrenburg oder das Hermannsdenkmal, haben es ihr angetan: „In unserer Region gibt es soviel Geschichte zu erleben; so ist auch meine Neugierde auf den Rest Deutschlands entstanden.“

ÜBER LANDESGRENZEN HINWEG

Aus der ursprünglichen Idee, eine Broschüre für die heimischen Sehenswürdigkeiten zu publizieren, sei sukzessive mehr geworden – auch angrenzende Gebiete wie die Lüneburger Heide, das Münsterland oder das Weserbergland seien „erobert“ worden. Inzwischen beschäftigt die Westfalica-Verlag GmbH acht Mitarbeitende, darunter auch fest angestellte Fahrer, die von Oktober bis Ende Mai ausschwärmen, um in ganz Deutschland die „Hallo Tourist!“-Broschüren zu verteilen. In Burgen, Bädern, Museen und natürlich in den Tourist-Informationen der jeweiligen Städte.
Inzwischen gibt es 15 Ausgaben. Von Südjütland bis hin zu den Alpen und von Luxemburg bis nach Tschechien mit einer Jahresgesamtauflage von 1,5 Millionen Stück. „Besonders ist, dass die Landesgrenzen ein Stück weit ignoriert werden und in der Schwarzwald-Ausgabe beispielsweise auch Ziele aus dem Elsass genannt werden“, erklärt Gerber das Konzept. Der Verlag ist stolz darauf, dass die Hefte von namhaften Firmen wie Faber Castell, Ritzenhoff, der Autostadt Wolfsburg, Seeberger’s Genusswelten oder dem Europapark Rust gebucht werden.

STORYTELLING MIT RABE KLECKS

Die Gestaltung der Broschüren erfolgt, mittels einer eigenen Gestaltungssoftware, direkt im Verlag und in enger Abstimmung mit den Kunden. So gehen ab Ende September alle vier Wochen
zwei Ausgaben mit jeweils 100.000 Auflage in den Druck, auf PEFC oder FSC Papier aus ökologisch nachhaltiger Produktion. Rund 170 Paletten kommen so im Jahr zusammen, die an rund 4.500 Verteilerstellen ausgeliefert werden. „Wir sind hier ein kleines, motiviertes Team. Jeder denkt mit. Das ist mir wichtig, damit ich die Mitarbeitenden auch über die Sommerphase hinweg weiter beschäftigen kann, wenn keine Produktionen anstehen“, betont die Geschäftsführerin. So werde jeder Kunde mindestens einmal jährlich online „gepflegt“; abgefragt und aktualisiert werden beispielsweise Öffnungszeiten, Eintrittspreise oder ob Sonderausstellungen geplant sind.

Da Printprodukte heute allein nicht mehr reichten, um die Zielgruppe zu erreichen, setzt der Verlag bereits seit 2004 auf einen Mix von Web, Social Media und Messen. Eigens dafür wurde kürzlich ein Messemobil angeschafft, um die ITB Berlin, die CMT Stuttgart, die Messe Nürnberg oder die Reisen Hamburg zu besuchen. Um’s Storytelling kümmert sich neuerdings „Klecks“ – ein Rabe aus Stoff, der von Ausflugsziel zu Ausflugsziel fliegt. Fotos davon schießen die Fahrer, denn in jedem Transporter fährt der Rabe aus Plüsch mit. Gepostet wird zwei Mal wöchentlich auf den Social-Media-Kanälen wie Facebook, Instagram oder LinkedIn.

IM WOHNMOBIL NACH KROATIEN

Die größte Herausforderung für die Zukunft sieht die Verlagschefin darin, die Nachwirkungen von Corona und die explodierten Rohstoff- und Energiepreise zu bewältigen. „Wichtig ist die breite Aufstellung in allen Bereichen, ein guter Marketing-Mix sowie der Service- Gedanke. Das sind wichtige Eckpfeiler für die Zukunft. An Ideen mangelt es uns nicht.“ Um sich austauschen, engagiert sich Gerber seit 2019 zusätzlich im Deutschland-Vorstand des Wirtschaftsclubs für Tourismus „Skål International Deutschland e.V.“. Dort ist sie für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sowie die Clubbroschüre „Skål Inside“ zuständig. Der Verein besteht aus Expertinnen und Experten, die in der Touristikwirtschaft Verantwortung übernehmen.

Nun steht aber erstmal der Sommer vor der Tür. Beste Zeit für Ausflüge aller Art und eine Art Verschnaufpause im Verlag. Zeit auch, um selbst zu reisen. Marlene Gerber zieht es in diesem Jahr nach Kroatien, mit dem Wohnmobil: „Natürlich nicht ohne Abstecher. Auf der Hinreise werde ich mir Zeit nehmen, den ein oder anderen Kunden in Österreich zu besuchen. Aber morgen geht es erstmal nach Hamburg, zu Barkassen Meyer an die Landungsbrücken“, erzählt die sympathische Verlegerin und lacht. Schon jetzt steht fest: Wiederkehren wird sie mit handverlesenen Adressen. Nachzulesen in einer der nächsten Ausgaben von „Hallo Tourist!“.

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