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EU-Kommission schlägt neue Klimastrategie bis zum Jahr 2050 vor

Die Europäische Kommission hat am 28. November ihre Vorstellungen für eine Klimastrategie der Europäischen Union bis zum Jahr 2050 veröffentlicht. Die unverbindliche Mitteilung wurde zuvor vom Kolleg der 28 Kommissare verabschiedet und wird durch eine ausführliche Analyse gestützt.

Die EU-Kommission empfiehlt, bis zur Mitte des Jahrhunderts die Nettotreibhausgasneutralität innerhalb der EU zu erreichen. Nur so ließe sich das 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens einhalten. Konkret bedeutet dies, dass sich die wenigen in solch einem Szenario verbleibenden Emissionen und die Entnahme von Treibhausgasen aus der Atmosphäre durch Natur und Technik die Waage halten.

Insgesamt beleuchtet die Strategie acht mögliche Pfade für einschneidende Emissionsreduktionen. Diese stehen nach Angaben der Kommission alle in Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen. Nicht ausreichen würden hingegen die bestehenden Ziele und Maßnahmen, die lediglich eine Reduktion um 60 % sicherstellen würden.

Fünf Szenarien führen zu einer Reduktion der Treibhausgasemissionen im Vergleich zum Referenzjahr 1990 von 80 %. Jedes dieser Szenarien setzt vornehmlich auf einen Lösungsansatz: eine sehr weitgehende Elektrifizierung, die Nutzung von Wasserstoff, der Einsatz von Power-to-X, Investitionen in Energieeffizienz und die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft.

In einem sechsten Szenario, das die genannten Lösungen kombiniert,  wird eine Treibhausgasminderung von etwa 90 % prognostiziert.

Um das von der EU-Kommission für notwendig erachtete Ziel der Treibhausgasneutralität bis 2050 zu erreichen, müssten noch weitergehende Maßnahmen ergriffen werden. Insbesondere sind nach 2050 sogenannte „negative Emissionen“ notwendig. D. h. es müssen der Atmosphäre mehr Treibhausgas entzogen als emittiert werden.

In Szenario 7 geschieht dies durch den Einsatz von Bioenergie mit Carbon Capture and Storage (engl. „BECCS“). Biomasse, die beim Heranwachsen Kohlenstoff bindet, wird energetisch verwertet, der Ausstoß von Treibhausgasen aber durch die Abscheidung und Speicherung (CCS) verhindert.

Szenario 8 baut auf die Maßnahmen aller anderen Szenarien auf, setzt zusätzlich stärker auf die Kreislaufwirtschaft und eine grundlegende Veränderung des Verhaltens der Verbraucher. Auch eine veränderte Landnutzung trägt zur Absorption von Treibhausgasen bei, um den Bedarf an negativen Emissionen nach 2050 zu verringern.

Die Szenarien zur Erreichung der Nettotreibhausgasneutralität beruhen darüber hinaus auf folgenden Pfeilern:

  1. Energieeffizienz: Der Energieverbrauch soll im Vergleich zu 2005 um 50 % gesenkt werden. Das größte Einsparpotenzial wird im Gebäudebereich ausgemacht. Die Renovierungsrate muss signifikant gesteigert werden und die Heizung und Kühlung weitgehend auf erneuerbare Energie umgestellt werden.
  2. Erneuerbare Energien: Die Elektrifizierung und der Ausbau der erneuerbaren Energien stehen im Zentrum des Umbaus der Energieversorgung. Der Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch wird verdoppelt (53% bis 2050). Die Stromproduktion steigt um bis zu 250 %. Mehr als 80 % des erzeugten Stroms stammen aus erneuerbaren Quellen. EE werden auch vermehrt in der Industrie eingesetzt, entweder direkt als Strom oder durch die Nutzung von strombasierten Kraftstoffen (E-Fuels). Verbraucher werden stärker in den Energiemarkt miteinbezogen.
  3. Transport: Die Elektrifizierung wird sich v. a. im Straßenverkehr durchsetzen. Auch für die Binnenschifffahrt und Kurzstreckenseeverkehr ist sie eine Option. Für die Luftfahrt und Seeschifffahrt sowie den Lkw- und Busverkehr werden andere technologische Lösungen wie der Einsatz von Wasserstoff in Brennstoffzellen, E-Fuels und Biokraftstoffen genutzt. Die Organisation des Verkehrssystems wird durch die Digitalisierung, Datennutzung und Interoperabilitätsstandards effizienter. Auch eine grundlegende Veränderung des Nutzerverhaltens ist notwendig. Diese muss durch die Internalisierung externer Kosten der verschiedenen Transportmodi erreicht werden.
  4. Industrie: Die europäische Industrie wird mithilfe der Digitalisierung und Automatisierung ihre Energieeffizienz weiter steigern und so Emissionen reduzieren. Auch Wiederverwendung und Recycling unterstützen diesen Trend. Neue Materialien wie Holz, aber auch neuartige und weniger energieintensive Verbundwerkstoffe, spielen eine größere Rolle. Angetrieben werden sollen diese Veränderungen auch durch eine steigende Nachfrage nach klimafreundlichen Produkten. Die Elektrifizierung, der Einsatz von Wasserstoff, Biomasse und erneuerbarem synthetischem Gas tragen zu Treibhausgasminderungen bei der industriellen Produktion bei. Prozessemissionen werden durch den Einsatz von CCS oder CCU vermieden. Zudem werden erneuerbarer Wasserstoff und nachhaltige Biomasse als Ausgangsmaterial für industrielle Prozesse genutzt. Forschung, Entwicklung und Demonstration werden die Kosten von bahnbrechenden Technologien reduzieren.
  5. Netze: Die europäischen Energie- und Transportnetze werden ausgebaut und intelligenter gestaltet. Die Kopplung der Sektoren wird vorangetrieben.
  6. Land- und Forstwirtschaft: Nachhaltige Biomasse wird eine wichtige Rolle spielen. Die Nachfrage wird im Vergleich zu heute um bis zu 80 % steigen. Die Emissionen der Landwirtschaft sinken aufgrund effizienterer und nachhaltiger Produktionsmethoden. Aufforstung und Wiederherstellung von degradierten Waldflächen tragen zu mehr CO2-Absorptionen bei.
  7. CCS: Das Potenzial wird geringer eingeschätzt als zuvor aufgrund eines schnelleren Ausbaus der erneuerbaren Energien und anderen Möglichkeiten zur Reduzierung von Emissionen in der Industrie. Dennoch ist die Nutzung von CCS notwendig, insbesondere in den energieintensiven Industriebranchen, zur Herstellung von grünem Wasserstoff und zur Erzeugung von negativen Emissionen in Verbindung mit der Biomassenutzung (BECCS). Die Anstrengungen zur Nutzung von CCS in der EU müssen forciert werden, auch durch mehr Investitionen in Forschung, Innovation und Demonstrationsprojekte.

Die Szenarien hin zur Treibhausgasneutralität wirken sich nach den Schätzungen der Kommission moderat positiv auf das Bruttoinlandsprodukt (BIP) aus. Letzteres würde im Jahr 2050 um bis zu 2 % höher ausfallen im Vergleich zu einem Szenario ohne zusätzliche Maßnahmen. Der Investitionsbedarf in die Energieinfrastruktur und damit zusammenhängende Infrastruktur steigt von 2 % auf 2,8 % des BIP (520 – 575 Milliarden Euro jährlich).

Eine Anpassung des EU-Klimaziels für das Jahr 2030 schlägt die Kommission nicht vor. Sie rechnet jedoch damit, dass das bestehende 40 %-Ziel durch die vereinbarten Ziele und Maßnahmen des Energie-Winterpakets um fünf Prozentpunkte übertroffen wird. Das Europäische Parlament fordert eine Anhebung auf 55 %.

Die Europäische Kommission fordert die Gesetzgeber auf, sich intensiv mit dem Strategievorschlag auseinanderzusetzen. Zur Vorbereitung des Gipfels der europäischen Staats- und Regierungschefs im rumänischen Sibiu am 9. Mai 2019 sollen sich die Fachminister im Rahmen ihrer jeweiligen Ratsformationen positionieren. Das Europäische Parlament wird ebenfalls Stellung nehmen. Zudem kündigt die Kommission Debatten in allen 27 Mitgliedsstaaten für das erste Halbjahr 2019 an. Dabei sollen verschiedene Interessenträger, darunter auch Wirtschaftsvertreter, zu Wort kommen.

Die Europäische Union muss im Rahmen des Pariser Klimaschutzabkommens bis 2020 eine langfristige Klimastrategie bei den Vereinten Nationen einreichen.

Der DIHK hat sich an der öffentlichen Konsultation der EU-Kommission zur Vorbereitung der Strategie beteiligt. Nach Ansicht des DIHK sollte sich die anstehende Debatte über den Kommissionsvorschlag auf die wirtschaftlichen Implikationen der verschiedenen Szenarien und die Maßnahmen, die zur Einhaltung der aktuell geltenden Ziele nötig wären, fokussieren. Wichtig ist zudem, dass der Schutz der energieintensiven Industrie vor „Carbon Leakage“ stärker in den Fokus rückt. In der Mitteilung der Kommission wird auf dieses Thema kaum eingegangen.

Quelle: DIHK

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