Suche
Close this search box.
Suche
Close this search box.

Gutes für das Gemeinwohl

Deutschland ist eines der stiftungsreichsten Länder. Mit einem Anteil von 95 Prozent verfolgen nahezu alle hier ansässigen Stiftungen – ausschließlich – gemeinnützige Zwecke. Stiftungen bereichern die Vielfalt der Gesellschaft, geben Impulse und sind weiter auf Wachstumkurs. Auch Ostwestfalen verfügt über eine bunte Stiftungslandschaft

Das Gemeinwohl fördern, Kulturdenkmäler erhalten, Bildung unterstützen, Forschung ermöglichen, soziale Einrichtungen schaffen, um Hilfsbedürftigen zu helfen – dies sind nur einige Beweggründe, eine Stiftung zu gründen. Und angesichts zunehmend leerer Kassen ist der Staat alleine nicht in der Lage, alle materiellen und ideellen Wünsche der Bürger zu erfüllen. Zudem ist aber auch die Bereitschaft der Bevölkerung gewachsen, sich in Form von Stiftungen für das Gemeinwohl zu engagieren. Stiftungen haben sich daher zu einem unverzichtbaren Element bürgerschaftlichen Engagements in demokratischen Gesellschaften entwickelt, gerade auch in Deutschland. Ihre Bedeutung für die Lösung gesellschaftlicher Probleme ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen und wird wohl auch in Zukunft noch weiter zunehmen. So ist Deutschland eines der stiftungsreichsten Länder. Bundesweit gibt es laut dem Bundesverband Deutscher Stiftungen rund 22.743 Stiftungen bürgerlichen Rechts. Allein 2018 sind 554 neue hinzugekommen, was einem Wachstum von 2,1 Prozent entspricht. In Ostwestfalen-Lippe sind über 600 Stiftungen ansässig, wie die für die Stiftungsaufsicht zuständige Bezirksregierung in Detmold mitteilt.

Mit einem Anteil von 95 Prozent verfolgen nahezu alles Stiftungen in Deutschland – ausschließlich – gemeinnützige Zwecke; nicht wenige davon bereits seit Jahrhunderten. So gibt es allein in Deutschland über 250 Stiftungen, die älter als 500 Jahre sind. Die meisten davon waren soziale Einrichtungen. Heute hingegen widmen sich viele junge Stiftungen beispielsweise Zukunftsthemen wie der Digitalisierung oder dem Klimaschutz.

KEIN STEUERSPARMODELL

Rund zwei Drittel der Stifterinnen und Stifter in Deutschland sind Privatpersonen. Auch Unternehmen, Vereine oder Organisationen stiften. Der Stiftende bestimmt den Zweck einer Stiftung, wenn er diese errichtet. Gesetzlich ist der Begriff Stiftung nicht definiert. Generell unterscheidet man zwischen verschiedenen Arten von Stiftungen: nicht rechtsfähige (treuhänderische) und rechtsfähige Stiftungen, Stiftungen des öffentlichen und bürgerlichen Rechts, kirchlichen Stiftungen, Familienstiftungen, Gemeinschaftsstiftungen oder Bürgerstiftungen. In der Regel ist eine Stiftung gekennzeichnet als Vermögensmasse, die einem bestimmten Zweck – insbesondere gemeinnützigen Zwecken – auf Dauer gewidmet ist. Auch andere Einnahmequellen wie Spenden oder Drittmittel gewinnen für Stiftungen an Bedeutung. Eine Stiftung ist ein Vermögen, das dauerhaft einem – zumeist gemeinnützigen – Zweck gewidmet ist. Nur die Zinserträge und zum Teil auch eingeworbene Spenden werden für die Stiftungsarbeit eingesetzt; das Vermögen selbst wird nicht angetastet. Das gestiftete Vermögen muss also als Grundkapital der Stiftung erhalten bleiben. Grund: Eine Stiftung ist dauerhaft gedacht und kann nach ihrer staatlichen Anerkennung in der Regel nicht einfach wieder aufgelöst werden. Kontrolliert werden rechtsfähige Stiftungen bürgerlichen Rechts vom Finanzamt und der Stiftungsaufsicht. Ein Steuersparmodell hingegen ist eine gemeinnützige Stiftung nicht; das Gemeinwohl gewinnt immer mehr als der Staat weniger an Steuern einnimmt. Nur wenn das Finanzamt eine Stiftung als gemeinnützig anerkennt, wird sie steuerlich begünstigt. „Die aktuelle Situation mit niedrigen Zinsen und volatilen Märkten ist für Stiftungen zwar schwierig. Doch wer sich für die Gründung einer auf Dauer angelegten Stiftung entscheidet, tut dies mit einer langfristigen Perspektive und in der Absicht, sich nachhaltig für die Gesellschaft zu engagieren“, weiß Prof. Dr. Joachim Rogall, Vorsitzender der Geschäftsführung der Robert Bosch Stiftung und Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen.

AUF KONTINUITÄT ANGELEGT

Traditionell verfolgen Stiftungen vor allem gesellschaftliche Zwecke (52,2 Prozent) wie etwa die Entwicklung neuer Wohnformen für alte und bedürftige Menschen. Auch der Bereich Bildung und Erziehung (34,6 Prozent) sowie Kunst und Kultur (31,9 Prozent) werden häufig unterstützt. 18 Prozent der Stiftungen vergeben keine Fördergelder, sondern initiieren ausschließlich eigene Projekte, schreiben Preise aus, geben Studien heraus oder finanzieren eigene Bildungsstätten. Besonders viele Stiftungen sind in Bayern, Baden- Württemberg und Nordrhein-Westfalen beheimatet. „Immer mehr Unternehmerinnen und Unternehmen gründen auch in Ostwestfalen Stiftungen, um einen freiwilligen Beitrag für die Weiterentwicklung der Gesellschaft im Sinne von Corporate Social Responsibility zu leisten. Oft engagieren sie sich dabei gemeinnützig in den Bereichen Kultur, Soziales, Bildung, Sport oder Umwelt und dokumentieren damit ihre selbst empfundene Verantwortung für das Gemeinwohl. Solche Stiftungen sind kein verlängerter Arm des Unternehmens, sondern haben losgelöst davon ganz eigenständige Gestaltungsspielräume und eigene Erscheinungsform. Sie sind auf Kontinuität ausgerichtet und passen damit gut zur Kultur der in Ostwestfalen vorherrschenden Familienunternehmen“, sagt Thomas Niehoff, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Ostwestfalen zu Bielefeld, und selbst im Vorstand der Bielefelder Goldbeck-Stiftung sowie in der Umweltstiftung der ostwestfälischen Wirtschaft aktiv.

FÜR UMWELTSCHUTZ BEGEISTERN

Im nächsten Jahr blickt diese Umweltstiftung bereits auf ihr 25-jähriges Bestehen zurück. Die Gründung geht zurück auf den großen Erfolg der fünf Umweltinitiativen der Wirtschaft in Ostwestfalen. So gewannen diese Initiativen im Jahr 1994 einen der bedeutendsten Umweltpreise der Welt – den „Deutschen Umweltpreis“ der Deutschen Bundesstiftung Umwelt in Osnabrück. „Sie wurden für ihr Engagement belohnt, sich freiwillig und über die gesetzlichen Standards hinaus für den Schutz der Umwelt einzusetzen“, erinnert sich Ulrich Tepper von der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, die seit Anbeginn die Geschäftsführung der Stiftung inne hat. Durch die Zusammensetzung des Stiftungsvorstands, dem der Präsident der IHK Ostwestfalen zu Bielefeld, der Vorsitzende des IHK-Umweltausschusses sowie weitere Unternehmer mit Umwelt Know-how angehören, gewährleistet die Stiftung eine enge Verzahnung mit der regionalen Wirtschaft.

Ob Umweltwettbewerbe mit den Berufsschulen in Ostwestfalen, die Einrichtung eines Informationszentrums der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld e.V. auf dem Gelände der Rieselfelder Windel, Umwelt-Checks für Existenzgründer, die Freilegung der Lutter am Waldhof in Bielefeld oder die umwelttechnische Ausstattung des „teutolab“, dem Mitmachlabor an der Universität Bielefeld – die Liste der geförderten Projekte ist mittlerweile lang. Zwei Projekte sind dabei besonders hervorzuheben. „Uns geht es vor allem darum, junge Menschen sehr früh an Umweltthemen heranzuführen, sie für den Umweltschutz zu begeistern und das Interesse für wirtschaftliche Zusammenhänge zu wecken“, betont der Geschäftsführer der Stiftung. So wird regelmäßig Umwelt-Unterricht an Grundschulen angeboten; inzwischen zählen rund 70 Schulen zu den Nutznießern, gut 1.000 Unterrichtseinheiten wurden erteilt.

Auch sehr erfolgreich ist der „Bobby Car Solar Cup“, der Begeisterung für den Ingenieurberuf weckt und an dem sich die Umweltstiftung viele Jahre beteiligte. Die Zahl der Schülerteams wächst von Jahr zu Jahr: „Das Projekt trägt dazu bei, dem Fachkräftemangel aktiv entgegenzuwirken, denn hier gehen Experten für die Energiekonzepte der Zukunft an den Start. Die große Resonanz bei Schulen, Wirtschaft und Medien hat gezeigt, dass die Umweltstiftung der ostwestfälischen Wirtschaft mit der Unterstützung ihrer Projekte für Schülerinnen und Schüler richtig liegt“, so Ulrich Tepper.

Zudem initiiert die Umweltstiftung bereits seit 2014 einen Nachhaltigkeitspreis, der alle zwei Jahre ausgeschrieben wird, denn das Thema Nachhaltigkeit rückt immer mehr in den Fokus und prägt das Handeln in Gesellschaft und Wirtschaft. „Dieser besonderen Situation möchten wir durch die Preisverleihung Rechnung tragen. Uns geht es darum, dass der thematische Schwerpunkt im Bereich des Umweltschutzes liegt, zudem muss ein konkreter Bezug zur Wirtschaft und zur Region Ostwestfalen vorliegen. Auch Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, einem Bildungsträger und einem Partner aus der ostwestfälischen Wirtschaft, zwischen einer Kommune mit einem Wirtschaftsunternehmen sind ausdrücklich erwünscht“, erklärt Bodo Cordes, Vorsitzender des Vorstands, den Anspruch des Preises, der mit einem Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro dotiert ist. Preisträger waren bereits namhafte Unternehmen wie Hettich oder Melitta. Zurzeit wird die Ausschreibung für den 3. Nachhaltigkeitspreis vorbereitet, der im Jubiläumsjahr 2020 vergeben werden soll.

UNTERNEHMENSSICHERUNG DURCH STIFTUNGEN

Mit Stiftungen beschäftigt sich Dr. Thomas Beckmann seit seinem Berufsstart 1991. Der junge Jurist begann bei der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Dr. Stückmann und Partner in Bielefeld und bekam die Hanne und Werner Mirow-Stiftung als Mandat angetragen. Die im Testament von Hanne Mirow als „mildtätige Stiftung“ für die Unterstützung hilfsbedürftiger Menschen angelegt, betreut Beckmann als Geschäftsführer bis heute. Die Bielefelder Bürgerstiftung hat er mitbegründet und war dort bis vor einem Jahr im Vorstand aktiv. Als Vorstand der Dr. Stückmann und Partner-Stiftung setzt er sich für die „Förderung der Belange von Familienunternehmen“ ein. Insgesamt etwa 35 Stiftungen betreut die Beratungsgesellschaft.

Trotzdem: „Ein generelles Plädoyer für Stiftungen halte ich nicht“, sagt der 57-Jährige. „Im Bereich der gesamten Nachfolgeberatung für Unternehmen gehört es zur Klaviatur dazu, zu fragen, ob es das richtige Instrument ist.“ Als Mindestsumme für Stiftungsvermögen nennt Beckmann eine Million Euro, damit eine Stiftung ihre Aufgaben erfüllen könne.

Stiftungen seien angelegt auf Ewigkeit, Unternehmer müssten Firmenanteile oder den kompletten Betrieb in die Stiftung einbringen. Ein Vorteil sei es, dass das Unternehmen so immer den gleichen Gesellschafter habe. „Es gibt keine ‚Zerfledderung‘ der Gesellschafteranteile und Stifter können so versuchen, den Verkauf von Firmenanteilen zu verhindern“, sagt Beckmann.

Unterschieden werden müsse zwischen gemeinnützigen, also steuerbefreiten, und nicht-steuerbefreiten Stiftungen. Auch bei den aktuell oft diskutierten so genannten Familienstiftungen – „diesen Begriff gibt es rechtlich als eigene Kategorie gar nicht“ – handelt es sich um nicht-steuerbefreite Stiftungen. „Sie werden wie GmbHs im Steuerrecht veranlagt. Ihr Zweck besteht darin, die Versorgung der Unternehmerfamilie zu sichern, indem die Gewinnanteile an die Begünstigten der Stiftung ausgezahlt werden. Die Vermögenssubstanz ist weg, nicht die Erträge“, erläutert der Jurist. Unternehmer müssen ein solches Modell „verstehen und wollen“. Es sei ein Umdenken erforderlich, um sich vom Eigentum lösen zu können, „eine philosophische Frage“, schmunzelt er.

ZU LEBZEITEN ERRICHTEN

Wichtig sei, eine Stiftung zu Lebzeiten zu errichten und nicht erst im Testament zu verfügen. Um sich langsam an das Thema heranzutasten und Erfahrungen zu sammeln, könnten als ein erster Schritt Unternehmensteile übertragen werden nicht gleich das komplette Betriebsvermögen. Der eigentliche Unternehmer sitze dann auf den Sessel bei der Stiftung. „Die Probleme beginnen, wenn der Stifter nicht mehr da ist. Deshalb sind Strukturen und Gremien wichtig, die die Aufgaben des Stifters fortführen. Dazu müssen sie Personen finden, die das professionell übernehmen können. Deren Anzahl ist leider begrenzt.“

Das Image von gemeinnützigen Stiftungen sei durchgängig positiv, da sie etwas für die Allgemeinheit leisten würden. Bei sogenannten Familienstiftungen sei es bislang schwieriger, da immer der Vorwurf des „Steuersparmodells“ mitschwinge. „Das ist Quatsch“, rückt Beckmann zurecht, „das Ansehen wandelt sich, weil so der Fortbestand des Unternehmens gesichert werden soll.“

Sorgen bereiten ihm eher niedrige Zinsen und die aktuelle Geldpolitik. „Wir rütteln am Grundprinzip der Stiftungen. Stiftungen müssen ihr Vermögen erhalten. Die Frage ist, ob dies ein nominaler oder realer Erhalt sein muss. Wenn sie geringe Erträge bekommen, kann es zum Problem werden, den Inflationsausgleich zu schaffen. Und wenn die Stiftung kein Geld für ihre Stiftungszwecke aufwenden kann, dann verliert sie ihre Gemeinnützigkeit.“ Positiv sei, dass der Gesetzgeber die Anlagemöglichkeiten für Stiftungen gelockert habe. Die „mündelsichere Anlage“, bei der Wertverluste der Anlage praktisch ausgeschlossen seien, könne durch Aktien- oder Stiftungsfonds ergänzt werden – bis zu 70 Prozent könne die Quote betragen.

Ein anderer Ausweg sei, seine Stiftung von einer anderen Stiftung verwalten zu lassen oder eine rechtlich unselbständige sogenannte Treuhandstiftung unter dem Dach einer anderen Stiftung zu errichten und so Verwaltungskosten zu senken. „Die Welle wird kommen“, ist sich Beckmann sicher.

FILM-LEIDENSCHAFT

Eine Stiftung, die sich ganz Filmen und Filmtechnik verschrieben hat, ist das Tri-Ergon Filmwerk in Bielefeld. Seit 40 Jahren begeistern sich die Stiftungsgründer Frank Bell, Michael Wiegert-Wegener und Dr. Holger Schettler für Filmtechnik, Kino und die Bielefelder Filmgeschichte – was sich schon am Namen „Tri-Ergon“ ablesen lässt. Dahinter verbirgt sich eine Hommage an den Bielefelder Tonfilm-Erfinder Joseph Massolle, der mir Dr. Jo Engl und Hans Vogt das namensgebende Tonfilmverfahren „Tri-Ergon“, übersetzt „Werk der Drei“, entwickelte.

Ein Ziel der Stiftung ist es, ein Museum eröffnen, in dem aufgearbeitete historische Dokumente gesammelt und Informationen über analoge Film-Techniken sowie Apparate zur regionalen Kinogeschichte ausgestellt werden. Im Repertoire der Stiftung sind bereits jetzt 360 Projektoren, 160 Bandmaschinen, Audio-Verstärker, Drehbücher und Storyboards bis hin zu alten Magnetbändern samt Original-Negativen, Mischbändern und Schnittlisten vertreten. „Das Museum soll Filme, ihre Produktion und Geschichte erlebbar machen. Es wird eine Begegnungsstätte – ein Haus des Films“, sagt Schettler. Dabei stehe die Stadt Bielefeld im Fokus der Drei. Die Stiftung produziere in Kooperation mit der Neuen Westfälischen Videos über die Stadthistorie. „In Bielefeld gab es eine sehr aktive Film-Szene. Es fanden viele Premieren statt in großen Kinos in der Altstadt mit Namen wie Palast, Atrium oder Gloria. Diesen Teil der Stadtgeschichte wollen wir in unserem Museum näher beleuchten.“

BEGEISTERUNG TEILEN

Für Schettler sind Kino und Film schon immer etwas Kommunikatives gewesen. „Kino ist ein gesellschaftliches Ereignis und Massenphänomen. Wir möchten die kulturelle Entwicklung des Films im Museum vermitteln.“ Ein weiterer Aspekt, dem sich die Stiftung verschrieben hat, ist die Nachwuchsförderung. Die drei Film-Experten geben ihr Wissen in Vorträgen und Uni-Seminaren weiter und machen es der Öffentlichkeit mit Schulungsmaterial oder Sachbüchern zugänglich. Ein Schwerpunkt sind historische, analoge Film-Techniken. „Wir sind der Ansicht, dass Filmkunst und Filmtechnik zusammengehören“, sagt Schettler.

Die Vorgeschichte der Stiftung begann bereits in den 1970er Jahren als sich Schettler, Bell und Wiegert-Wegener in einer Theater-Laienspielgruppe kennenlernten. Danach gingen sie gemeinsam ins Kino, diskutierten darüber und drehten schließlich selbst Filme – damals noch in Normal 8, ein Schmalfilmformat. Was klassisch als Hobby begann, ist für die drei Freunde Beruf und Berufung geworden. 1989 gründeten sie nach mehreren Filmprojekten, wie einer Dokumentation über das Musikfestival „Vlotho – umsonst und draußen“, die Tri-Ergon Filmproduktion GmbH. Auch hierbei ist das Motiv Kino selbst Star vor der Kamera: ihr erster Film war eine Dokumentation über Hans-Joachim Flebbes, ehemaliger Vorstand der Cinemaxx AG, erstes Kino in Hannover.

SAMMLUNG ERHALTEN

Den Grundstein für die Stiftung legte Frank Bell, der sich nach und nach historische Filmtechnik aus Nachlässen sichert. Darunter auch die Bestände der Bielefelder Filmproduktion „Film in Wissenschaft und Technik“ sowie die Nachlässe des Filmproduzenten Gunther Wolf und des Bielefelder Filmamateurs Tom Winkler. „Auch viele Kinos bieten ihre alte Technik für Käufer an. Die Stiftung erwirbt diese Stücke und bereitet sie wieder auf“, erläutert Schettler. Um die inzwischen auf mehrere hundert Stück angewachsene Sammlung im Wert von bis zu 200.000 Euro auch zukünftig zu erhalten, wurde die Stiftung Filmwerk ins Leben gerufen. „Frank hatte niemanden, der die Sammlung übernehmen könnte“, blickt Schettler zurück. „Daraufhin kam mir der Gedanke an eine Stiftung als einzigen Weg, dieses Erbe zu erhalten. Auch wenn die Hürden hoch waren, freuen wir uns mit der Stiftung das historische Film-Erbe in Bielefeld zu bewahren.“

AKTIV BETEILIGEN

Eine überregional bekannte Stiftung ist die Bertelsmann Stiftung mit Sitz in Gütersloh. Über 380 Mitarbeiter beschäftigt die Stiftung laut aktuellem Jahresbericht 2018, welchen die Stiftung Anfang März veröffentlicht hat. Rund 70 Projekte wurden laut Bericht im vergangenen Jahr umgesetzt und begleitet. Die Bertelsmann Stiftung widme sich dabei maßgeblich den Themen Bildung, Demokratie, Europa, Gesundheit, Werte und Wirtschaft. Im Jahr 2018 seien für die gemeinnützigen Tätigkeiten 86 Millionen Euro aufgewendet worden. Insgesamt seien seit der Gründung durch Reinhard Mohn im Jahr 1977 mehr als 1,5 Milliarden Euro für gemeinnützige Arbeit aufgebracht worden. Dabei sei das Ziel eine operative Stiftung, die gesellschaftliche Herausforderungen aufgreife und auf sie einwirke. Deshalb würden keine Fördermittel oder Stipendien vergeben, sondern direkt in eigens initiierte Projekte investiert, welche aus eigenen Mitteln finanziert würden.

2018 standen besonders Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Fokus, wie die Stiftungsvorstände Aart De Geus, Liz Mohn, Brigitte Mohn und Jörg Dräger in ihrer Vorstellung der Jahresbilanz berichten. Zukünftig bewege die Stiftung vor allem die Themen Europa und Digitalisierung. In Europa befinde sich die Demokratie derzeit im Stresstest, sagt Vorstandsvorsitzender Aart De Geus. Das sei ein Grund, warum sich die Stiftung in diesem Jahr verstärkt für einen Diskurs über Europa, mehr Akzeptanz wie auch Partizipationsangebote einsetze und ein Europa-Programm mit neuen Studien, Dialogangeboten und Umfragen entwickle. „Unser Ziel ist es, die Beziehungen zwischen den Völkern und Kulturen vertrauensvoll zu gestalten. Deshalb setzen wir uns dafür ein, dass sich Menschen begegnen und kennenlernen können. Die Bertelsmann Stiftung richtet dazu hochrangige, internationale Formate aus. Wir möchten Lösungen entwickeln, damit wir konkrete Impulse für die Herausforderungen in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft geben können“, sagt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Liz Mohn.

Des Weiteren liege ein weiteres Augenmerk auf der digitalen Zukunft Deutschlands. Schnelles Internet in Städten und auf dem Land seien inzwischen ebenso wie fließendes Wasser und Strom Teil der kommunalen Daseinsvorsorge, so Brigitte Mohn. Die Stiftung plane demzufolge unter anderem das Projekt „Smart Country“ und das Datenportal „Wegweiser Kommune“ und wolle so weitere Ansätze erarbeiten. Ein laut Stiftung noch junger Arbeitsschwerpunkt sei die „Ethik der Algorithmen“, welcher in 2019 weiter ausgebaut werden solle. „Algorithmen und Künstliche Intelligenz sind keine Science-Fiction, sondern Realität. Sie bestimmen mehr und mehr unseren Alltag. Deshalb müssen wir das Verhältnis von Mensch und Maschine neu bewerten und neu justieren“, sagt Vorstand Jörg Dräger. Notwendig seien in diesem Zusammenhang eine gesellschaftliche Debatte über Ziele, Einsätze und Grenzen von Algorithmen sowie strengere Transparenzangebote.

HOCHBEGABE IM BLICK

Prof. Dr. Claas Wegner freut sich: in den kommenden fünf Jahren erhält der Wissenschaftler der Uni Bielefeld insgesamt 500.000 Euro von der Osthushenrich-Stiftung aus Gütersloh. Der Leiter des „Osthushenrich-Zentrums für Hochbegabungsforschung“ (OZHB) kann damit seinen Forschungsschwerpunkt weiter ausbauen, die Hochbegabtenförderung in naturwissenschaftlichen Fächern. Seine „KolumbusKids“ hat der Biodidaktiker als Projekt während seiner Promotion im Jahr 2006 gestartet. „Entdecken, begeistern, fördern“ lautet sein Credo, mit dem er Schülerinnen und Schülern mit mathematisch-naturwissenschaftlicher Hochbegabung auf ihrem Weg begleiten will. „Das Thema hat mich während meines Studiums gepackt. Was kann man mit Hochbegabung machen? Auch während meines Referendariats habe ich mit hochbegabten Kindern gearbeitet. Es steckt so viel Know-how in den Kindern, so viel Wissen, damit muss man arbeiten.“ Wegner hat der an der Uni Bielefeld Sport, Biologie und Pädagogik auf Lehramt studiert.

Den ersten Kontakt hatte er bereits 2009 zur Stiftung, deren Vertreter haben ihn angesprochen. „Es ist toll, dass es eine Stiftung gibt, die sich für Bildung interessiert.“ Dabei sei Didaktik für Unternehmen auf den ersten Blick nicht so interessant, „es entstehen ja keine neuen Werkstoffe durch die Förderung“. Der Nutzen erschließe sich bei Bildungsthemen oft erst auf den zweiten Blick.

Durch die erste Projektförderung konnte Wegner Materialien anschaffen und Mitarbeiter einstellen. Seitdem sei die Zusammenarbeit stetig ausgebaut worden. Die Idee für die Förderung und Aufbau des Zentrums reifte 2017, im vergangenen Jahr wurde es gegründet. Durch die jährliche Förderung in Höhe von 100.000 Euro werde kein Einfluss auf seine Arbeit genommen, betont der 39-jährige Wissenschaftler. „Solche Finanzierungarten bieten mehr Freiheiten, denn auch Landes- oder Drittmittel sind an strenge Auflagen gebunden.“ Gemeinsam mit der Stiftung hätten sie über die Ziele gesprochen – zum einen sei das die Fortbildung von Lehrkräften, zum anderen soll ein Diagnoseinstrument entwickelt werden, um naturwissenschaftliche Begabungen zu fördern. Als Leiter des „teutolab-robotik“ an der Uni Bielefeld will Wegner im Mitmachlabor ebenfalls mehr Themen aus Mathematik, Physik und Biologie anbieten, sei es als Workshop oder in Form eines Summercamps.

Und nach fünf Jahren, wenn die Förderung ausläuft? „Wir haben jetzt die Chance, aus dem Zentrum ein Leuchtturmprojekt zu entwickeln. Dann reden wir weiter darüber.“

LANGFRISTIG UNTERSTÜTZEN

Menschen unterstützen, die sich für andere ehrenamtlich engagieren – das ist das erklärte Ziel der Stiftung-Diamant-Software, eine selbstständige Stiftung privaten Rechts. „Wir möchten andere ‚anstiften‘, mehr zu erreichen und etwas zu bewegen. Und das geht mit einer Stiftung am besten und ist vor allem eins: langfristig“, sagt Stiftungsvorstand Peter Semmerling, der die Stiftung zum 25-jährigen Firmenjubiläum seines Unternehmens der Diamant Software GmbH & Co.KG in Bielefeld gegründet hat. Die Diamant-Stiftung unterstützt seither ausgewählte Projekte in Ostwestfalen-Lippe finanziell, vornehmlich in den Bereichen Jugendhilfe, Bildung, Erziehung und Behindertenhilfe.

„Wir greifen nicht operativ ein, dafür sind die anderen die Fachleute. Aber die Stiftung stellt die Mittel, die dafür benötigt werden. Das Ehrenamt ist wertvoll, die Engagierten erhalten Einblicke in völlig andere Lebenswelten. Das ist bereichernd und unterstützenswert“, nennt Semmerling den Grund für den Stiftungszweck. Die Stiftung fördert unter anderem zwei Aktionen seit mehreren Jahren: „Ehrenamtliche Paten“ und „YOUNGagement“. „Das Ziel beider Projekte ist es, Jugendlichen das Ehrenamt näherzubringen und sie in ihrem ehrenamtlichen Engagement zu unterstützen“, sagt Semmerling. Für das Projekt „Ehrenamtliche Paten“ wurde gemeinsam mit dem Kinderschutzbund Bielefeld eine Koordinationsstelle geschaffen, die das Projekt operativ betreut. Die Stiftung trage dafür alle Sach- und Personalkosten. „Jugendliche übernehmen für ein Schuljahr die Patenschaft für ein jüngeres Kind. Sie treffen sich einmal in der Woche und tauschen Erfahrungen aus oder gestalten gemeinsam die Freizeit. Das ist eine tolle Sache, aber so ein Projekt muss auch professionell betreut werden. Deshalb haben wir die Kosten für die Mitarbeiterin beim Kinderschutzbund übernommen.“ Das zweite, langjährige Projekt ist „YOUNGagement“, auch dabei wird jungen Menschen ermöglicht, sich freiwillig in den Bereichen Kultur, Natur oder Soziales zu engagieren. „Seit unserer Förderung konnten bereits mehr als 500 junge Menschen zum Ehrenamt gebracht werden. Das macht uns sehr stolz, denn somit können wir sicherstellen, dass auch in Zukunft gesellschaftliches Engagement bestehen bleibt“, betont Semmerling.

Inzwischen würden zwei Drittel der Stiftungsgelder für wiederkehrende Projekte wie „Theater im Klassenzimmer“, „Musicus e.V.“, „Doktor Clown e.V.“ oder „Text-Checker“ eingesetzt. Das Projekt Text-Checker wird von EU-Fördermitteln unterstützt und fördert die Lese- und Rechtschreibkompetenz von Schülern. „Interessant bei Text-Checker war, dass wir eine Förderlücke überbrückt haben. Da die Förderung erst ab der siebten Klasse startete, kam die Stadt Bielefeld auf die Stiftung zu und fragte, ob wir das für die Klassen fünf und sechs übernehmen könnten. Da hat die Stiftung natürlich zugesagt“, erklärt Semmerling. Inzwischen würden die EU-Mittel bereits ab der fünften Klasse bereitgestellt. „Wir haben also die weitere Förderung angestoßen und dabei unterstützt, dass das Projekt weitergeführt und ausgeweitet wird.“

ETWAS ZURÜCKGEBEN

Die Stiftung erhält ihre finanziellen Mittel aus dem Unternehmen Diamant Software GmbH, seit fast 40 Jahren Spezialist für Rechnungswesensoftware. Zum Firmenjubiläum stand die Frage im Raum, wie zukünftig für gemeinnützige Zwecke gespendet werden könnte. „Fest stand, dass das Unternehmen zum 25-jährigen Jubiläum spenden wollte. Ein Teil unseres finanziellen Erfolgs sollte geteilt werden. Allerdings war das ‚wie‘ entscheidend. Wie Projekte unterstützen? Wie regelmäßig spenden? Wie kontrollieren wir, ob die Mittel beim richtigen Projekt ankommen? Langfristig und konkret projektbezogen sollten die Spenden sein, da reifte immer mehr der Entschluss, eine eigene Stiftung zu gründen“, blickt Semmerling zurück. Nach einer turbulenten Gründungszeit, in der zunächst „keiner eine Ahnung von Stiftungen hatte“, wurde die Stiftung-Diamant-Software schließlich 2005 gegründet. „Was uns damals alle überrascht hat: Es ist gar nicht so leicht, Geld ‚auszugeben‘. Wir mussten uns aktiv um Projekte kümmern. Mittlerweile kommen mehrere Anfragen bei uns an, aber das war zu Beginn ganz anders. Es war für alle eine Lernkurve.“ Heute kümmert sich ein Projektausschuss um die Auswahl der geförderten Projekte. Dabei hat der Unternehmens- und Stiftungsgründer einen Tipp an alle Antragssteller: „Der Antrag sollte kurz und knapp sein. Es muss herauskommen, was bewegt werden soll, das ist ganz wichtig.“

Auch nach über zehn Jahren Stiftungsarbeit werden Semmerling und sein Team nicht müde, weiter das Ehrenamt und vor allem Jugendliche zu unterstützen. In Zukunft solle das Engagement weiter ausgebaut werden, der Stiftungszweck erweitert und noch einige große Projekte hinzukommen. „Bisher hat die Stiftung viel verwaltet. Zukünftig wollen wir uns aktiv am Ausbau von Projekten beteiligen“, blickt Semmerling voraus.

KLUGE KÖPFE BINDEN

„Wir ernten die Früchte der ersten 13 Jahre“ – Katja Urhahne, Geschäftsführerin der Stiftung Studienfonds OWL mit Sitz in Paderborn, klingt zufrieden, wenn sie auf die Entwicklung seit der Gründung 2006 zurückblickt. Zunächst als Verein von den fünf staatlichen Hochschulen der Region, den Universitäten Bielefeld und Paderborn, der Hochschule Ostwestfalen-Lippe, der Fachhochschule Bielefeld und der Hochschule für Musik in Detmold, ins Leben gerufen, wurde 2009 die Stiftung gegründet. „Unser Konzept, Stipendien an besonders talentierte und engagierte oder auch bedürftige Studentinnen und Studenten zu vergeben, war erfolgreich, wir konnten Gelder akquirieren. Bei einer Stiftung schwingt ein besonderes Vertrauen mit, denn sie ist auf Ewigkeit angelegt und wird außerdem strenger kontrolliert als ein Verein“, begründet sie den Wechsel. Bislang wurden Spenden eingenommen, „jetzt schenken uns auch größere Geldgeber Vertrauen“. So wurde der Stiftung 2018 ein Nachlass zugesagt, aktuell laufen Gespräche zur Gründung einer Treuhandstiftung in Form einer Verbrauchsstiftung.

Viele Unternehmen würden ihr Engagement bislang unter betriebswirtschaftlichen Aspekten betrachten, als ein Recruiting-Instrument. „In Zeiten akuten Fachkräftemangels ein kluger Schachzug“, sagt Urhahne, dennoch: „Wir sind kein Personaldienstleister. Ein Stipendium wird immer ohne Gegenleistung vergeben, anders als bei einem Dualen Studium.“ Aktuell betreut der Studienfonds rund 450 Stipendiaten. Firmenvertreter hätten die Chance, diese engagierten jungen Leute kennenzulernen. Dazu trage auch das ideelle Förderprogramm bei, bestehend aus Betriebsbesichtigungen, Vorträgen, Workshops, gemeinsamen Theater- oder Museumsbesuchen. „Das große Netzwerk dahinter ist ein zusätzliches Argument, sich zu engagieren.“ Auch für die Studierenden mache es einen besonderen Reiz aus, sich zu bewerben.

1.800 Euro beträgt die Summe, die Firmen jährlich für ein so genanntes Deutschlandstipendium investieren, die als Spende absetzbar ist. Die gleiche Summe kommt aus einem Topf des Bundesbildungsministeriums dazu. Dabei wären sogar noch Bundesgelder für weitere 500 Stipendien für Ostwestfalen-Lippe vorhanden. Sie können nicht abgerufen werden, weil die entsprechenden Spender oder Stifter fehlen. Dabei sei das Deutschlandstipendium ein Instrument der Zivilgesellschaft, keines, das sich ausschließlich an Unternehmen richtet, betont Urhahne: „Es wäre schön, wenn das Programm nicht nur aus betriebswirtschaftlicher Perspektive bewertet wird, sondern als Investition in die Zukunft unserer Region. Wir wollen die klugen Köpfe hier halten und würden uns über noch mehr gemeinschaftliches Engagement freuen.“

 

Autoren: Elena Ahler, Silke Goller, Heiko Stoll

Rubriklistenbild: Martin Debus/stock.adobe.com

 

Weitere Themen