Ein Unternehmen, das seinen Kunden „Mitgliedschaften“ anbietet, die unter anderem die Rückholkosten bei Erkrankung aus dem Ausland leisten sollen und das dafür selbst eine Gruppenversicherung unterhält, kann zugleich Versicherungsvermittler sein. Dafür benötigt es laut Bundesgerichtshof aber die Erlaubnis der Industrie- und Handelskammer. So soll seine Zuverlässigkeit und Sachkenntnis gewährleistet werden.
Umgehung der Erlaubnispflicht nach § 34 d GewO?
Der Bundesverband der Verbraucherzentralen verlangte von einem Unternehmen, es zu unterlassen, Verbrauchern Verträge über den Beitritt in eine Versichertengemeinschaft anzubieten bzw. anbieten zu lassen, ohne über die zur Versicherungsvermittlung erforderliche Erlaubnis zu verfügen. Das Unternehmen hatte Werbeunternehmen beauftragt, ihre Leistungen durch Haustürwerbung zu vertreiben. Die Mitgliedschaft berechtigte zur Inanspruchnahme verschiedener Leistungen im Fall einer Erkrankung oder eines Unfalls im Ausland.
Die versprochenen Leistungen wurden aus dem Vermögen des Betriebs direkt und über von diesem an seine Kunden abgetretene Ansprüche aus einer Gruppenversicherung erbracht. Die Beklagte arbeitete zudem mit einer AG zusammen, die unter anderem die Notrufzentrale besetzte. Dafür wurde sie vergütet.
Weder die Firma noch die von ihr beauftragten Werbeunternehmen verfügten über eine Erlaubnis zur Versicherungsvermittlung nach § 34 d GewO. Eine solche werde laut einer Auskunft der Industrie- und Handelskammer Koblenz von 2015 auch gar nicht benötigt. Das Geschäftsmodell stelle weder die Vermittlung von Versicherungen noch den Betrieb eines Versicherungsgeschäfts dar, so die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht.
EuGH bejahte Vermittlertätigkeit
Während das LG Koblenz der Unterlassungsklage überwiegend stattgab, scheiterte sie beim OLG Koblenz. Die Beklagte könne nicht Versicherungsvermittlerin und Versicherungsnehmerin zugleich sein. Der BGH hatte dem Europäischen Gerichtshof in einem Vorabentscheidungs- ersuchen die Frage vorgelegt, ob die Beklagte als „Versicherungsvermittler“ nach Art. 2 Nr. 3 und 5 der RL 2002/92/EG (Versicherungsvermittlung) und Art. 2 Abs. 1 Nrn. 1, 3 und 8 der RL (EU) 2016/97 (Versicherungsvertrieb) anzusehen sei. Der EuGH bejahte dies.
Zwingende Erlaubnis der Industrie- und Handelskammer
Die Revision des Verbraucherschutzverbandes hatte daher beim I. Zivilsenat Erfolg. Die Beklagte habe sich beim Vertrieb von Mitgliedschaften in der von ihr unterhaltenen Gruppenversicherung nach § 3a UWG unlauter verhalten, weil sie dabei als Versicherungsvermittlerin tätig geworden sei, ohne über die dafür nach § 34d Abs. 1 Satz 1 GewO erforderliche Erlaubnis der Industrie- und Handelskammer zu verfügen.
Dieses Erfordernis stehe auch im Einklang mit der Richtlinie 2002/92/EG (Erwägungsgründe 8 und 9), die bezwecke, dass die Gleichbehandlung aller Kategorien von Versicherungsvermittlern sichergestellt und der Verbraucherschutz im Versicherungswesen verbessert werde. Deshalb unterliege die Beklagte – ebenso wie andere Versicherungsvermittler – den Zulassungs- und Eintragungspflichten, die insbesondere deren Zuverlässigkeit und Sachkenntnis sicherstellen sollen.
Quelle: BGH, Urteil vom 15.12.2022 – I ZR 8/19
Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H.BECK, 6. März 2023