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Keine Altersdiskriminierung bei provozierter Absage

Wenn das Gesamtbild der Bewerbung ergibt, dass eine Absage des potenziellen Arbeitgebers provoziert werden sollte, dann besteht kein Anspruch auf Entschädigung für eine Altersdiskriminierung. Ein Indiz für eine provozierte Absage kann laut Bundesarbeitsgericht sein, wenn das Fehlen wesentlicher Anforderungen geradezu demonstrativ dokumentiert wird.

„Facharbeiter“ in Verwaltungsangelegenheiten

Ein zum Zeitpunkt seiner Bewerbung über 70-jähriger Mann wollte aufgrund einer angeblichen Altersdiskriminierung eine Entschädigung von mindestens 10.000 Euro bekommen. Er war Oberamtsrat im Bundespresseamt gewesen und bewarb sich als Ruheständler auf eine Sachbearbeiterstelle im Büro nach TVöD 7 beim Technischen Hilfswerk. Die Bundesanstalt hatte in ihrer Ausschreibung unter anderem Wert auf Aufgeschlossenheit für IT-Anwendungen, Freundlichkeit sowie gutes mündliches und schriftliches Ausdrucksvermögen gelegt.

Die Bewerbung sollte online über ein Portal erfolgen. Stattdessen übersandte der Mann die Unterlagen per Mail an die Pressestelle mit diesem Anschreiben, das diverse Rechtschreibfehler enthielt:
„Sehr geehrte Damen und Herrn, laut meiner u.a. Kontaktdaten bin ich Facharbeiter in nahezu allen Verwaltungsangelegenheit. Aus meine Zeugnissen ersehen Sie bitte, dass ich sicherlich nicht klüger als meine Mitbewerbe bin habe jedoch einen wertvollen Mehrwert- an Lebens,- und Berufserfahrungen. Ich bin geistig und körperlich sehr fit, fleißig, zuverlässig, seriös, flexibel sowie extrem belastbar. Meine monatliche Höchstverdienstgrenze beträgt pensionsbedingt Brutto 1.600,-?. Zurzeit bin ich ehrenamtlich Bereich der EU tätig. Freuen Sie sich auf ein Vorstellungsgespräch.“

Auf eine Bitte der Anstalt um Benutzung des Bewerbersystems antwortete er:
„sorry mit Ihnen kann ich nicht arbeiter. Bitte stornieren sie meine Bewerbung“.

Schließlich nahm er nach manueller Übernahme der Daten in das System durch das THW doch am Verfahren teil. Seine auf die Absage folgende Klage führte beim Arbeitsgericht Bonn zu einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 2.500 Euro. Das Landesarbeitsgericht Köln bestätigte dies. Vor dem BAG siegte jedoch die Anstalt in vollem Umfang.

Rechtsmissbräuchliches Verhalten

Die Erfurter Richter kamen zum Schluss, dass nach dem Gesamtbild der Bewerbung rechtsmissbräuchlich eine Absage provoziert werden sollte. Damit seien Ansprüche aus dem AGG grundsätzlich ausgeschlossen. Für die Annahme, dass hier nur einer Entschädigungsforderung der Boden bereitet werden sollte, sprach aus Sicht der Bundesrichter eine Reihe von Indizien: So habe der Senior sein Alter betont, gleichzeitig aber zu den gestellten Anforderungen wenig gesagt.

Im Gegenteil habe er durch sein Anschreiben und Verhalten das Fehlen wichtiger Voraussetzungen betont. Die mangelnde Aufgeschlossenheit für IT-Anwendungen sei geradezu „zur Schau getragen“ worden. Ebenso wenig sprächen Schreiben ohne Anrede und Grußformel für besondere Freundlichkeit. Einem Diplom-Verwaltungswirt und Oberamtsrat aD (Bundespresseamt) müsse auch bewusst gewesen sein, dass ein Schreiben voller Rechtschreib- und Grammatikfehler keine Empfehlung für eine Bürotätigkeit darstellt.

zu BAG, Urteil vom 31.03.2022 – 8 AZR 238/21
Michael Dollmann, Mitglied der NJW-Redaktion, Verlag C.H.BECK, 17. August 2022.

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