Die vom Europäischen Parlament am 16. Juli gewählte Präsidentin der nächsten Europäischen Kommission hat den Europaabgeordneten zugesagt, die bestehenden europäischen Klimaschutzziele signifikant zu verschärfen. Der europäische Emissionshandel soll ausgeweitet werden.

In den „politischen Leitlinien“, die Ursula von der Leyens programmatische Schwerpunkte beschreiben, verspricht die neue Kommissionspräsidenten, das Ziel der Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050 für die EU als neues Klimaschutzziel gesetzlich zu verankern.

Bisher strebt die EU eine Treibhausgasminderung um 80 % bis 95 % im Vergleich zum Referenzjahr 1990 an. Das Ziel der Treibhausgasneutralität verlangt noch weitreichendere Emissionsminderungen. Nicht vermeidbare Treibhausgasemissionen werden zusätzlich durch natürliche (Wälder, Meere) und technische Senken (Carbon Dioxid Removal) aus der Atmosphäre entnommen.

Darüber hat Ursula von der Leyen, die ihr Amt am 1. November antritt, auch eine Anhebung des Treibhausgasminderungsziels der EU für das Jahr 2030 von 40 % auf zunächst 50 % im Vergleich zu 1990 zugesagt. In einem zweiten Schritt strebt sie sogar eine Anhebung auf 55 % an.

Diese Zielverschärfung hätte für viele Unternehmen weitreichende Konsequenzen. Im Europäischen Emissionshandel müssten die zur Verfügung stehenden Emissionsrechte durch eine Senkung der bisherigen Obergrenze (Cap) noch schneller als bisher verknappt werden, wodurch die Preise weiter in die Höhe getrieben würden.

Zudem müssten die jährlichen Emissionsbudgets, die jedem Mitgliedsstaat für die nicht vom Emissionshandel erfassten Bereiche (u.a. Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfall) zustehen, verringert werden.

Anders als in den politischen Leitlinien angegeben, wird die EU mit aktuellen Maßnahmen die bisher geltenden Ziele in den Sektoren außerhalb des ETS nicht erreichen. Bei 22 von 28 Staaten, darunter Deutschland, zeichnet sich laut Europäischer Umweltagentur aktuell bis 2030 eine Zielverfehlung ab. Es wird EU-weit mit einer Minderung zwischen 21 und 23 % gerechnet, wohingegen das Ziel bei – 30 % liegt.

Deutschland muss seine Emissionen in den Nicht-ETS-Sektoren bis 2030 im Vergleich zu 1990 um 38 % senken. Dieses Ziel müsste im Falle einer Anhebung des 2030-Ziels der EU entsprechend erhöht werden. Auf Grundlage bestehender Maßnahmen wird in Deutschland mit einer Minderung von 21 % gerechnet.

Die Klimaschutzziele wurden bisher einstimmig von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet und dann im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens von Rat und Europäischem Parlament in sektorale Gesetzgebung übersetzt.

Ursula von der Leyen hat zudem ihren Willen bekundet, das Europäische Emissionshandelssystem (ETS) auf die Bereiche Verkehr und Gebäude auszudehnen. Auch der Schiffsverkehr soll ihm in Zukunft unterliegen. Die kostenlose Zuteilung für den innereuropäischen Flugverkehr soll schrittweise verringert werden.

Um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu schützen Verlagerung von Emissionen ins EU-Ausland (Carbon Leakage) zu verhindern, schlägt die gewählte Kommissionspräsidentin die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs („Carbon Border Tax“) vor. Dieser soll mit dem Recht der Welthandelsorganisation vereinbar und in einem ersten Schritt auf einige ausgewählte Sektoren beschränkt sein.

Ärmere Mitgliedsstaaten und Regionen sollen durch einen neu zu schaffenden Fonds für den gerechten Übergang („Just transition fund“) finanziell unterstützt werden.

Finanzmittel sollen auch im Rahmen eines Investitionsplans für ein nachhaltiges Europa zur Verfügung gestellt werden, dessen Gesamtvolumen bis zum Jahr 2030 eine Billiarde Euro betragen soll. Hierzu schlägt Ursula von der Leyen vor, Teile der Europäischen Investitionsbank (EIB) in eine „Klimabank“ umzuwandeln. Konkret soll der Anteil der Finanzierungen der EIB, die dem Kampf gegen den Klimawandel dienen, von 25 % auf 50 % verdoppelt werden.

DIHK-Bewertung

  • Der DIHK lehnt eine Verschärfung der europäischen Klimaziele ab. Die bestehenden Ziele sind bereits ambitioniert und stellen die Wirtschaft vor große Herausforderungen. Die Politik sollte sich gemeinsam mit der Wirtschaft mit der Frage beschäftigen, wie diese mit bestehenden oder neuen Maßnahmen erreicht werden können.
  • Die Einführung eines CO2-Grenzausgleichs bewertet der DIHK in seiner Stellungnahme zur langfristigen Klimastrategie kritisch. Er birgt das Risiko, dass mit einer umweltpolitischen Begründung Protektionismus betrieben wird. Besonders die deutsche, aber auch europäische Wirtschaft profitiert vom freien Handel und trägt u. a. durch den Export von Umwelttechnologien zum Klimaschutz weltweit und zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Europa bei.
  • Bei der Gestaltung möglicher neuer Förderinstrumente wie des „Just Transition Funds“, sollten die vielfältigen bestehenden Maßnahmen für einkommensschwächere Staaten berücksichtigt werden. Wichtig ist, dass neue Instrumente auch einkommensstärkeren Staaten offenstehen. Maßnahmen für einkommensschwächere Staaten wie die kostenlose Zuteilung für den Stromsektor im Rahmen des ETS stellen eine Wettbewerbsverzerrung dar und sollten abgeschafft werden.

Quelle: DIHK