Europäische Kommission verabschiedet Wasserstoffstrategie

Die Europäische Kommission hat am 8. Juli 2020 ihre Wasserstoffstrategie vorgelegt. Am selben Tag wurde auch die „European Clean Hydrogen Alliance“ gegründet.

In der Strategie unterstreicht die Kommission einleitend, dass die Ziele des Green Deals der EU und der Energiewende ohne Wasserstoff nicht zu erreichen sind. Nach Berechnungen der Brüsseler Behörde könnte der Wasserstoffanteil am Energiemix der EU von aktuell weniger als 2 Prozent auf 13 bis 14 Prozent im Jahr 2050 ansteigen.

Die europäische Strategie geht davon aus, dass Wasserstoff zunächst in der Industrie und im Verkehrssektor eingesetzt wird. In einer ersten Phase sollen bis zum Jahr 2024 vor allem existierende Wasserstoffanwendungen in der Industrie dekarbonisiert werden. Hierfür sollen Elektrolyseure mit einer Leistung von 6 GW errichtet und bis zu einer Million Tonnen „erneuerbarer“ Wasserstoff hergestellt werden.

Blauer Wasserstoff
Die Europäische Kommission setzt jedoch auch darauf, dass in einer Übergangsphase bestehende Anlagen zur Herstellung von Wasserstoff aus Erdgas nachgerüstet werden, um das anfallende CO2 abzuscheiden und zu speichern oder weiterzuverwerten (CCS/CCU). Neben „erneuerbarem“, grünem Wasserstoff sieht Brüssel somit auch eine gewichtigere Rolle für CO2-armen Wasserstoff als die Bundesregierung in ihrer Anfang Juni verabschiedeten Strategie. Zugleich macht die Kommission deutlich, dass langfristig auf grünen Wasserstoff gesetzt werde.

Bis nächstes Jahr will die Kommission einen CO2-Standard für „CO2-armen“ Wasserstoff vorschlagen, der den gesamten Lebenszyklus berücksichtigt. Zudem sollen eine umfassende Terminologie und EU-weite Kriterien für die Zertifizierung von erneuerbarem und CO2-armem Wasserstoff eingeführt werden.

Bis 2030 sollen anschließend 40 GW Elektrolyseurleistung in der EU erreicht werden und bis zu 10 Millionen Tonnen erneuerbarer Wasserstoff hergestellt werden. Zudem sollen auch in dieser zweiten Phase weiter Erdgas-basierte Anlagen mit Carbon-Capture-Technologien nachgerüstet werden.

Ab 2030 soll Wasserstoff dann die Marktreife erlangen und im großen Maßstab in allen Sektoren zum Einsatz kommen, für die keine anderen oder nur kostspieligere CO2-Minderungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Brüssel rechnet damit, dass die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2050 um ein Drittel steigen muss, um allein den Bedarf für die Wasserstoffherstellung zu decken.

Milliardeninvestitionen bis 2030
Bis 2030 rechnet die Europäische Kommission mit Investitionen in Höhe von 24 bis 42 Milliarden Euro in Elektrolyseure. Zudem müssten 220 bis 340 Milliarden Euro in Photovoltaik und Windenergie investiert werden, um 80 bis 120 GW Leistung zuzubauen. In die Nachrüstung Erdgas-basierter Wasserstoffherstellungsanlagen könnten ca. 11 Milliarden Euro investiert werden. Für den Transport, die Verteilung, Speicherung und Tankstellen rechnet die Kommission mit Investitionen in Höhe von 65 Milliarden Euro.

Um Projekte möglichst schnell zu realisieren, will sich Brüssel der neu gegründeten „European Clean Hydrogen Alliance“ bedienen. Das Forum aus Vertretern der Industrie, der Regierungen, regionaler und lokaler Behörden und der Zivilgesellschaft soll Investitionsvorhaben koordinieren und eine Liste konkreter Projekte erarbeiten.

EU-Mittel für H2
Konkret plant die Kommission, im Bereich Wasserstoff „Wichtige Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“ (IPCEI) zu ermöglichen. Das Instrument bietet von der Kommission designierten Projekten einen besonders förderlichen beihilferechtlichen Rahmen.

Darüber hinaus sollen EU-Mittel des Wiederaufbau-Instruments (Recovery Instrument Next Generation EU) über das Investitionsprogramm InvestEU für private Investitionen in Wasserstofftechnologie verwendet werden. Der Europäische Fonds für regionale Entwicklung, der Kohäsionsfonds sowie der Mechanismus für einen gerechten Übergang und die „Connecting Europe Facility“ sollen ebenfalls genutzt werden.

Fördersysteme und Quoten
Um die Nachfrage nach Wasserstoff anzukurbeln, hält die Kommission regulatorische Eingriffe für notwendig. Verschiedene Optionen sollen geprüft werden, darunter Mindestanteile und Quoten für erneuerbaren Wasserstoff und Folgeprodukte in spezifischen Anwendungsbereichen.

Um die Produktion zu skalieren, setzt Brüssel neben einem reformierten Emissionshandel auf Fördersysteme. Als „mögliches“ Instrument werden CO2-Differenzkontrakte sowohl für grünen als auch CO2-armen Wasserstoff erwähnt. Für Pilotprojekte eignen sich laut EU-Kommission die CO2-arme und zirkuläre Stahlherstellung und die Grundstoffchemie sowie die Schiff- und Luftfahrt. Für die Herstellung von grünem Wasserstoff könnten laut Strategie auch klassische Fördersysteme zum Einsatz kommen.

Die Entwicklung der notwendigen Infrastruktur für den Wasserstoffeinsatz soll möglichst früh geplant und daher in die bestehenden europäischen Prozesse, wie den Zehnjährigen Netzentwicklungsplan (TYNDP), integriert werden. Mit einem signifikanten Ausbaubedarf für den Transport und die Verteilung rechnet die Kommission erst ab den 2030er Jahren, während zuvor vor allem von einer punktuellen Versorgung (bis 2024) und von lokalen Netzen (bis 2030) ausgegangen wird.  Die Beimischung von Wasserstoff in Erdgasnetze wird grundsätzlich kritisch bewertet.

F&E
Die Forschung- und Entwicklungsanstrengungen sollen auf folgende Bereiche fokussiert werden:

  • größere, effizientere und kostengünstigere Elektrolyseure
  • Netz- und Speicherinfrastruktur und die Konvertierung bestehender Erdgasinfrastruktur
  • Industrieanwendungen im großen Maßstab (Stahl, Chemie, petrochemische Produkte) sowie Anwendungen im Verkehrsbereich (schwere Nutzfahrzeuge, Schienen- und Seeverkehr, Flugverkehr)
  • Standards, u. a. für die Sicherheit und zur Erfassung der Umweltauswirkungen
  • Versorgung mit kritischen Rohstoffen und deren effizienterer Einsatz

Im Rahmen des nächsten EU-Rahmenprogramms für Forschung und Innovation Horizont Europa wurde bereits die Schaffung einer Partnerschaft für erneuerbaren Wasserstoff vorgeschlagen. Zudem sollen Mittel aus dem Innovationsfonds, der sich aus Versteigerungserlösen des Europäischen Emissionshandelssystems speist, in Forschung und Entwicklung investiert werden.

Energiepartnerschaften
International will die Europäische Kommission Energiepartnerschaften mit Nachbarstaaten und anderen Drittländern ausbauen. Insbesondere die östliche Nachbarschaft mit der Ukraine und die südliche Nachbarschaft (Nordafrika) stehen im Fokus. Zudem soll die EU die Entwicklung internationaler Standards und gemeinsamer Definitionen, u. a. für die Feststellung der anfallenden CO2-Emissionen, vorantreiben. Eine Initiative soll den Euro als Währung für den globalen Handel mit Wasserstoff etablieren.

Quelle: DIHK

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