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EU-Taxonomie: Europäische Kommission verabschiedet Klimaschutz-Bewertungskriterien

Die Europäische Kommission hat sich am 21. April 2021 politisch auf die Bewertungskriterien für die Klimaschutzziele der EU-Taxonomie geeinigt. Die delegierte Verordnung legt in ihren Anhängen, auf aktuell knapp 500 Seiten, für zahlreiche Wirtschaftstätigkeiten meist quantitative Kriterien fest, anhand derer zukünftig die Nachhaltigkeit im Sinne des Klimaschutzes bewertet werden soll. Die Auswirkungen auf Unternehmen sind weitreichend.

Die formelle Annahme des Rechtsakts wird Ende Mai erwartet.

Aufgrund der Kritik zahlreicher Mitgliedstaaten und Europaabgeordneter sowie Interessenträger hat die Kommission entschieden, zunächst auf die Festlegung von Kriterien für die Verstromung von Erdgas zu verzichten. Stattdessen sollen die Regeln im Laufe des Jahres in einer zusätzlichen delegierten Verordnung fixiert werden, die voraussichtlich auch Kriterien für die Kernenergie enthalten wird. Für letztere Stromerzeugungstechnologie erwartet die Kommission bis zum Sommer die Einschätzungen zweier Expertengremien, auf deren Grundlage dann eine Entscheidung gefällt werden soll. Von der einst noch ins Auge gefassten Verabschiedung der Kriterien im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens – die Mitentscheidungsrechte für Rat und Parlament vorsieht – hat die Kommission damit letztlich Abstand genommen. Die bislang bekannt gewordenen Entwürfe der Kriterien schließen erdgasbefeuerte Kraftwerke, auch hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, von der Einstufung als nachhaltig aus.

In der nun verabschiedeten delegierten Verordnung kündigt die Kommission neben der späteren Festlegung von Nachhaltigkeitskriterien für Gaskraftwerke außerdem an, eine spezifische Gesetzgebung zu erwägen, die Investitionen in Gaskraftwerke fördern soll, wenn diese in einer Übergangszeit auf dem Weg hin zur Treibhausgasneutralität notwendig sind. Die Ankündigung kann zugleich als Hinweis gewertet werden, dass die Kommission im Rahmen der Taxonomie auf strenge Grenzwerte beharrt.

Im Vergleich zu vorherigen Entwürfen blieben die Kriterien für die Automobilwirtschaft weitgehend unverändert. Die Herstellung und Nutzung von Verbrennungsmotoren für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gilt ab dem Jahr 2026 als nicht nachhaltig. Beim Emissionsgrenzwert für die Herstellung von Wasserstoff (3tCO2äq/tH2) gab es ebenfalls keine Bewegung mehr.

Für die meisten energieintensiven Industriebranchen wird auf die novellierten EU ETS-Benchmarks abgestellt. Oft werden noch zusätzliche Bedingungen gestellt, wie Vorgaben für die Stromintensität der Produktion oder die Emissionsintensität des eingesetzten Stroms.

Anwendung der Taxonomie
Angewandt werden wird die Taxonomie inklusive ihrer Kriterien einerseits von der Finanzwirtschaft, die „grüne“ Finanzprodukte anbietet. Für die Klimaschutz-Bewertungskriterien greift diese Regelung ab dem Jahr 2023.

Zugleich werden Unternehmen der Realwirtschaft verpflichtet, bereits ab dem Jahr 2022 offenzulegen, inwiefern sie die Taxonomie-Kriterien einhalten. Die konkreten Details dieser neuen Offenlegungspflicht werden in einem weiteren delegierten Rechtsakt festgelegt, der noch bis zum Sommer von der Kommission verabschiedet werden soll. Finanzinstitute werden den Anteil der Finanzierungen offenlegen müssen, die in Wirtschaftstätigkeiten fließen, die den Taxonomie-Kriterien entsprechen („green asset ratio“).

Um als nachhaltig im Sinne der Taxonomie zu gelten, muss über die Einhaltung detaillierter Kriterien nachgewiesen werden, dass durch eine wirtschaftliche Tätigkeit ein substanzieller Beitrag zur Erreichung von einem der sechs Umweltziele der Taxonomie geleistet wird. Darüber hinaus muss belegt werden, dass zugleich keinem der anderen Umweltziele erheblich entgegenwirkt wird („do no significant harm“-Prinzip) und Mindest-Sozialstandards eingehalten werden.

Weitere Kriterien in Arbeit
Aktuell arbeitet eine von der Kommission bestellte Expertengruppe, die Sustainable Finance Platform, an Vorschlägen für Bewertungskriterien für die verbleibenden vier Umweltziele. Konkret geht es um den Schutz von Wasser- und Meeresressourcen, den Übergang zur Kreislaufwirtschaft, die Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung sowie den Schutz und die Wiederherstellung der Biodiversität. Deren Anwendung durch die Finanzwirtschaft ist laut Taxonomie-Verordnung im Jahr 2025 vorgesehen. Die Offenlegungspflicht für Unternehmen greift bereits ab dem Jahr 2024.

Ob ein Unternehmen die eigene „Taxonomie-Compliance“ offenlegen muss, hängt u. a. davon ab, ob es unter den Anwendungsbereich der CSR-Richtlinie fällt. Am 21. April 2021 hat die Kommission eine Reform der letzteren Richtlinie vorgeschlagen und darin die Ausweitung des Anwendungsbereichs verankert. Nach Angaben der Kommission steigt die Anzahl der berichtspflichtigen Unternehmen in der EU von 11.000 auf 50.000. Unabhängig von dieser rechtlich vorgesehenen Taxonomie-Offenlegungspflicht wird erwartet, dass viele weitere Unternehmen in der Praxis offenlegen müssen, ob sie die Kriterien einhalten. Einerseits werden größere, berichtspflichtige Unternehmen dies von ihren Lieferanten verlangen. Andererseits werden Banken, die selbst unter die rechtlich bindende Offenlegungspflicht fallen, bei der Vergabe von Finanzierungen ihre Kunden zur Offenlegung anhalten, um bewerten zu können, ob es sich um eine nachhaltige Finanzierung handelt.

Vielfältige Auswirkungen
Die Auswirkungen der Taxonomie der EU auf Unternehmen sind vielfältig. Erklärtes Ziel der EU ist die Vermeidung von „Greenwashing“ bei nachhaltigen Finanzprodukten. Für viele Unternehmen der Realwirtschaft entsteht bürokratischer Aufwand für die Berechnung und Offenlegung der eigenen „Taxonomie-Compliance“. Zudem werden die Finanzierungsbedingungen und der Zugang zu Finanzierungen beeinflusst. Für Unternehmen, die die Kriterien nicht erfüllen, könnten sich die Bedingungen verschlechtern bzw. der Zugang zu Finanzierungen gar verwehrt werden. Für Unternehmen, die die Kriterien erfüllen, könnte eventuell der gegenteilige Effekt eintreten. Abzusehen ist bereits, dass europäische und nationale Förderprogramme an den Kriterien der Taxonomie ausgerichtet werden. Auch in zukünftigen Gesetzgebungen sind Verweise auf die Taxonomie zu erwarten.

Sie finden die delegierte Verordnung inklusive ihrer Anhänge auf der Webseite der Europäischen Kommission.

Quelle: DIHK

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