Wer die Verletzung seiner Rechte aus der Unionsmarke fünf Jahre lang duldet, ohne sie ernsthaft mit gerichtlicher Geltendmachung zu verfolgen, verliert sie. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass sowohl eine Abmahnung als auch die Anhängigkeit einer Klage nur dann die Verwirkungsfrist unterbricht, wenn sie eine rechtsverbindliche Lösung herbeiführen wollen. Eine Abmahnung, die ins Leere läuft oder eine halbherzige Unterlassungsklage, die nicht rechtshängig werden kann, beendeten die Duldung einer Rechtsverletzung nicht.
Heitec und Heitech
Eine alteingesessene Firma auf dem Gebiet der Industrieplanung meldete 1991 ihren Namen als Unionswortmarke „HEITEC“ an, wurde aber erst 2005 eingetragen. Die Heitech Promotion GmbH wurde 2008 Inhaberin einer Unionsbildmarke mit dem Wortbestandteil „heitech“. Noch in demselben Jahr erhielt die Heitec positive Kenntnis von der Anmeldung der Marke und mahnte im Jahr 2009 die Heitech wegen der Markennutzung ab.
Deren Antwort bestand darin, eine Abgrenzungs- und Vorrechtsvereinbarung vorzuschlagen, die aber keinen Widerhall fand. Drei Jahre später erhob die Heitec unter anderem Unterlassungsklage zum Landgericht Nürnberg-Fürth – allerdings nur per Fax und ohne den Gerichtskostenvorschuss einzuzahlen. Sie lehnte den Abschluss einer Koexistenzvereinbarung ab, bot dafür aber eine Lizenzvereinbarung an. Und sie teilte mit, dass sie Klage eingereicht habe. Ihre Gegnerin reagierte nicht. Nach einigem Hin und Her wurde der Heitech die Klage schließlich 2014 zugestellt, sodass zwischen der Kenntniserlangung und Klagezustellung etwas über fünf Jahre vergangen waren. Das Landgericht Nürnberg-Fürth gab der Klägerin nur im geringen Umfang statt, so dass diese Berufung einlegte.
Das Oberlandesgericht Nürnberg hielt den Anspruch für verwirkt und wies die Klage gänzlich ab. Der Bundesgerichtshof schließlich legte die Sache dem EuGH vor, weil er wissen wollte, wie die Markenrichtlinie hinsichtlich der Verwirkung im vorliegenden Fall auszulegen ist.
Abmahnung kann Verwirkung unterbrechen
Der EuGH entschied, dass Art. 9 der Richtlinie 2008/95/EG (Markenrichtlinie) sowie Art. 54, 110 und 111 der Verordnung Nr. 207/2009 so auszulegen sind, dass die Verwirkungsfrist grundsätzlich nur durch eine behördliche oder gerichtliche Geltendmachung unterbrochen werden kann, weil nur dann klar ist, dass der Rechteinhaber eindeutig gewillt ist, sich der Verletzung seines Markenrechts zu widersetzen. Die Abmahnung kann nach Ansicht der Luxemburger Richter diese Frist auch unterbrechen, wenn sie in die förmliche Geltendmachung mündet. Unterbleiben nach der Abmahnung hingegen weitere Schritte, die zur Herbeiführung einer rechtsverbindlichen Lösung führen, unterbreche sie die Verwirkung nicht.
Einreichen der Klage beendet die Duldung nur dann, wenn sie auch alsbald zugestellt wird
Dem EuGH zufolge kann nach Art. 9 der Markenrichtlinie, Art. 54, 110 und 111 der Verordnung Nr. 207/2009 die Verwirkungsfrist auch durch die Anhängigkeit der Klage unterbrochen werden, wenn sie nicht wegen mangelnder Sorgfalt den nationalen Zustellungsvorschriften widersprechend erst nach der Verwirkungsfrist rechtshängig werden kann. Ist nach fünf Jahren die Verwirkung eingetreten, können auch keine Folgeansprüche mehr geltend gemacht werden, so die Luxemburger Richter.
Gleichgewicht zwischen Wahrung des Markenrechts und Verfügbarkeit der Marken
Die Vierte Kammer des EuGH stützt ihre Entscheidung im Wesentlichen auf den zwölften Erwägungsgrund der Markenrichtlinie, die auf Rechtssicherheit der Wirtschaftsteilnehmer abzielt. Mit einer fünfjährigen Verwirkungsfrist sei ein Ausgleich der gegenseitigen Interessen hergestellt, denn nachdem der Markenrechtsinhaber so lange geduldet habe, dass sein Gegner seine eigenen Produkte mit der Marke bezeichnet hat, müsse dieser darauf vertrauen können, dass er dafür nicht mehr in Anspruch genommen werden kann.
zu EuGH, Urteil vom 19.05.2022 – C-466/20
Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H.BECK, 20. Mai 2022.