Wenn ein Geschäftsführer keinen Dienstvertrag hat, sondern angestellt ist, geht seine Organstellung bei einer Insolvenz nicht auf den Käufer des Unternehmens über. Vielmehr übernimmt dieser nur das Arbeitsverhältnis. Damit hat das BAG in solchen Fällen einen Schutz vor Kündigungen ausgesprochen.
Ein kaufmännischer Angestellter wurde nach 13 Jahren zum Geschäftsführer einer GmbH bestellt. Ein entsprechender Vertrag wurde aber nie geschlossen – weder schriftlich noch mündlich oder konkludent. Im Jahr 2019 ging der Logistikdienstleister pleite.
Ein anderes Unternehmen des Konzerns führte die Geschäfte fort, übernahm die wesentlichen Betriebsmittel – etwa die angemieteten Lagerräume – und kaufte auch sonst diverse Vermögenswerte. Kurz vor der Schlüsselübergabe kündigte der Insolvenzverwalter dem Mann betriebsbedingt; am Tag darauf legte er sein Amt als Geschäftsführer nieder.
Betriebsübergang sperrt Entlassungen
Vor den Arbeitsgerichten wollte der Mann erreichen, dass sein Arbeitsverhältnis fortgeführt wurde. Dieses sei im Zuge des Betriebsübergangs bei dem Erwerber gelandet; die betriebsbedingte Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, denn der neue Inhaber dürfe Arbeitnehmer nicht nach einem Wechsel des Eigentümers entlassen (§ 613a Abs. 4 BGB).
Dem stehe auch nicht entgegen, dass das Kündigungsschutzgesetz nicht für leitende Angestellte gilt (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG), weil er kein Geschäftsführer mehr sei. Das Landesarbeitsgericht Hamm schmetterte seine Klage jedoch ganz und gar ab.
Anders nun das Bundesarbeitsgericht. In einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung (BAG, Urteil vom 20.07.2023 – 6 AZR 228/22) hob es das Urteil der nordrhein-westfälischen Richterinnen und Richter auf und schickte ihnen die Akten zurück.
Denn anders als diese angenommen hätten, gelte auch für den geschassten Beschäftigten der im BGB niedergelegte Schutz bei einem Betriebsübergang. Das LAG hatte diesen nach Sinn und Zweck der Vorschrift (teleologisch) ausgeschlossen, weil er eine Organstellung besessen habe – auch wenn er einen Arbeits- und keinen Dienstvertrag gehabt habe.
„Keine Lücke im Gesetz“
Nach seinem klaren Wortlaut gilt § 613a Abs. 4 BGB für Arbeitsverhältnisse und erstreckt sich damit auf alle Arbeitnehmer, so hingegen die obersten Arbeitsrichterichterinnen und -richter. Das gelte auch für das dort ausgesprochene Kündigungsverbot. Eine planwidrige Lücke im Gesetz gebe es da nicht, die es dem LAG erlaubt hätte, den Anwendungsbereich der Vorschrift zu reduzieren.
Weiter heißt es in dem Urteil: „Im Streitfall sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Anwendung des § 613a BGB auf GmbH-Geschäftsführer, die ihre Geschäftsführertätigkeit auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags ausüben, zu zweckwidrigen Ergebnissen führt.“
Hinsichtlich der Rechtsverhältnisse von GmbH-Geschäftsführern sei strikt zwischen der Bestellung zum Organ der Gesellschaft und dem zugrunde liegenden Anstellungsverhältnis zu unterscheiden. Durch die Bestellung als solche werde keine schuldrechtliche Beziehung zwischen Gesellschaft und Geschäftsführer begründet. Deshalb gehe die Organstellung – im Gegensatz zum Arbeitsverhältnis – nicht auf den Übernehmer des Betriebs über.
Die Vorinstanz muss den Fall trotzdem noch einmal aufrollen. Da es nämlich einen Schutz vor der Entlassung für den einstigen Geschäftsführer von vornherein ausgeschlossen hatte, muss das LAG in Hamm jetzt prüfen, ob tatsächlich ein Betriebsübergang vorlag.
Quelle: BAG, Urteil vom 20.07.2023 – 6 AZR 228/22
Redaktion beck-aktuell, Verlag C.H.BECK, 26. Oktober 2023 von Prof. Dr. Joachim Jahn