Familienmitglied, Begleiter oder Kumpel: Haustiere wie Hunde, Katzen und Co. nehmen im Leben vieler Menschen einen besonderen Platz ein. Und die Tierhalter lassen sich ihre vierbeinigen Lieblinge einiges kosten. Die Branche freut‘s.
Beinahe in jedem zweiten Haushalt in Deutschland lebt ein Haustier – Katze und Hund sind dabei nach wie vor die Spitzenreiter. 2017 waren es 34,3 Millionen Hunde, Katzen, Kleinsäuger und Ziervögel – und damit 2,7 Millionen mehr Heimtiere als noch ein Jahr zuvor. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Erhebung, die der Industrieverband Heimtierbedarf e.V. (IVH) und der Zentralverband Zoologischer Fachbetriebe Deutschlands e.V. (ZZF) beim Marktforschungsinstitut Skopos in Auftrag gegeben haben. Und die Besitzer scheinen für ihre Haustiere keine Kosten zu scheuen: So verzeichnete laut Studie die deutsche Heimtierbranche im Jahr 2017 einen Gesamtumsatz von 4,16 Milliarden Euro im Fachund Lebensmitteleinzelhandel, hinzukommen noch 580 Millionen Euro aus dem Online-Markt. Futter, Snacks, Zubehör, Ausstattung, Spielzeug oder Pflege, die Liste der Marktsegmente ist lang. Dafür sei der stationäre Fachhandel weiterhin die erste Anlaufstelle. Im Vergleich mit dem europäischen Ausland steht Deutschland mit Ausgaben von zusammengefasst rund 4,8 Milliarden Euro auf Platz Zwei. Nur Tierliebhaber in Großbritannien gaben mit umgerechnet rund 5,3 Milliarden Euro im Jahr 2017 mehr für Heimtierbedarf aus. Der Markt verändert sich: Tierhalter achten zunehmend auf qualitativ hochwertige Produkte – besonders beim Tierfutter. Aber auch abseits des Fressnapfes differenziert sich die Branche weiter und Produkte werden individueller. Die Nachfrage nach Dienstleistungen wie Hunde-Physiotherapien, Erste-Hilfe-Kurse für Hunde oder Tierbestattungen steigt. „Der Tiermarkt wandelt sich immer mehr zum Luxusmarkt“, beobachtet Tanja Doer, die sich in Bielefeld mit einem Hundesalon selbstständig gemacht hat.
AUSDAUER FÜR DOG-WALKING
Tiere sind für viele längst Familienmitglieder und Sozialpartner. „Ob Familien oder Alleinlebende, Jung oder Alt: Tiere nehmen im Leben vieler Menschen eine zunehmend wichtige Rolle ein“, sagte Norbert Holthenrich, Präsident des ZZF, bei der Präsentation der Umfrageergebnisse. „Wissenschaftler stellen fest, dass das Leben mit Tieren ein über Jahrtausende gewachsenes natürliches Bedürfnis des Menschen ist.“
Dabei überträgt der Mensch seine Bedürfnisse, wie beispielsweise den Wunsch nach Individualisierung, zunehmend auch auf das eigene Haustier. Ebenso wirken sich veränderte
Lebensbedingungen auf die Branche aus. Laut Studie des IVH und ZZF sei die Zahl der Heimtiere in Singlehaushalten auf 33 Prozent angestiegen, dies biete auch Potenzial für neue Geschäftsmodelle – etwa Dienstleistungen wie „Pet-Sitting“ und „Dog-Walking“, das Denise Lippek mit ihrer Tierbetreuung Spürsinn anbietet. Seit 2012 betreut die Steinhagenerin Hunde, Katzen und weitere Haustiere. Ihre menschliche Kundschaft ist dabei breit gestreut: „Manche Halterinnen und Halter sind 20, manche 85“, erklärt Lippek. „Bei den einen hat es mit ihrer Arbeitszeit zu tun, bei anderen Frauchen und Herrchen mit ihrer eigenen Mobilität.“ Entsprechend ausgeglichen ist auch das Verhältnis zwischen Stammkunden und Einzelterminen. Auch der Service variiert von Tier zu Tier: Während die Katzenbetreuung vor allem darin besteht, die Tiere während der Abwesenheit ihrer Besitzer „zu Hause“ zu besuchen und zu versorgen, ist beim Dog-Walking viel Ausdauer und vorausschauendes Handeln gefragt. Jeder Hund bringt seine eigene Persönlichkeit mit eigenen Bedürfnissen mit in die Gruppe. Je nach Wochentag gibt es feste Gruppen, die Denise Lippek erst mit ihrem eigens umgebauten Auto einsammelt, um dann um dann in täglich wechselnde Auslaufgebiete und Wälder zu fahren – und das bei praktisch jedem Wetter. Ihr eigener Labrador-Retriever Sancho ist immer mit dabei. „Manche Tiere führe ich jeden Tag aus, andere nur sporadisch nach Bedarf. Dabei steht auch oft der Geselligkeitsfaktor im Vordergrund. Viele Halter wissen mittlerweile, wie wertvoll Sozialkontakte sind und ermöglichen diese ihren Hunden, obwohl sie selbst die Zeit hätten“, erklärt Lippek. „Es kommt aber auch mal vor, dass sich jemand den Fuß gebrochen hat – dann muss der Hund natürlich trotzdem raus. Da lässt sich immer eine flexible Lösung finden.“
PROFESSIONELLER SERVICE
Neukunden erreicht die Tierbetreuung Spürsinn vor allem über Empfehlungen. „Viele Kunden vertrauen mir schon seit langer Zeit, manche Hunde habe ich schon als Welpen betreut“, sagt Denise Lippek. „Da ist persönliche Wertschätzung natürlich die beste Werbung.“ Neben ihrer langjährigen Erfahrung besitzt die Steinhagenerin auch die erweiterte Sachkundeprüfung nach § 11 des Tierschutzgesetzes. Diese ist in einigen Bundesländern Voraussetzung bei der Arbeit mit Tieren, beispielsweise in Zoohandlungen, Tierheimen und –betreuungen sowie bei Züchtern. „In NRW ist diese Prüfung für Dogwalker noch nicht Pflicht, zukünftig jedoch wünschenswert“, erklärt die Hundefreundin, „denn auch, wenn eine große Portion Einfühlungsvermögen für diesen Job benötigt wird, so sollte wenigstens ein fachliches Grundwissen bestehen.“ Für Frauchen und Herrchen bedeutet die Inanspruchnahme einer Dog-Walkerin nämlich auch einen Vertrauensbeweis: „Für viele ist es so, als gäben sie ein Familienmitglied in fremde Obhut“, weiß Lippek. Entsprechend einfühlsam geht sie auf die verschiedenen Charakter der Hunde ein. „Es gibt auch Tiere, die nicht so gruppenkompatibel sind – da gibt’s dann auch mal Einzelbetreuung.“ Zwischen 16 und 25 Euro plus Anfahrt kostet ein Spaziergang pro Einsatz. 60 Minuten seien garantiert, doch gerade die Gruppenausläufe dauern auch schon mal zwei Stunden. Während die Nachfrage nach professioneller Tierbetreuung steige, sieht Denise Lippek beim Angebot in Ostwestfalen noch Ausbaupotenzial. „Es gibt andere Dogwalker, mit denen man sich online austauscht oder auch vor Ort, um freie Kapazitäten zu verteilen. Aber in der Abdeckung ist da noch Luft nach oben – denn wenn das Tier für die Menschen ein Mitglied der Familie ist, dann will man dieses Mitglied während seiner eigenen Abwesenheit auch liebevoll und professionell betreut wissen.“
MIT HUND IDENTIFIZIEREN
Diese Wertschätzung für das Tier als Familienmitglied spiegelt auch die Kundschaft von Maria und Anne Schröder wider. Mit ihrer Boutique Hundekinder bieten sie seit dem Jahr 2017 Halsbänder und Leinen, Bekleidung, Schlafgelegenheiten und weitere Accessoires in der Bielefelder Altstadt an. Das Sortiment unterscheidet sich dabei bewusst von gängigen Produkten aus dem Zoofachhandel. „Vor allem für große Hunde ist es oft schwierig, etwas schickere und liebevollere Sachen zu bekommen, die aber auch nicht knallig-billig wirken, sondern wertig verarbeitet sind“, betont Anne Schröder.
„Viele Hundehalter identifizieren sich ja enorm mit ihrem Hund, da muss auch für das Tier die Qualität stimmen.“ Diese Qualität darf auch gern ihren Preis haben: „Es gibt Kunden, die geben etwa 200 Euro im Jahr für ihren Hund aus, Futter nicht eingerechnet“, erklärt Anne Schröder. „Und es gibt Kunden, die geben jährlich 2.000 Euro und mehr aus, allein für Accessoires.“ Markenfixierung spiele dabei dennoch eine eher untergeordnete Rolle. „Wenn die Kunden von der Qualität überzeugt sind, dann testen sie auch neue Produkte und ihnen unbekannte Marken, die auf dem deutschen Markt vielleicht noch gar nicht so geläufig sind.“ Entsprechend groß ist auch der Blickwinkel, mit dem das Hundekinder-Team den Markt beobachtet und Produkte auswählt. „Wir sind viel auf Messen unterwegs und gucken auch in die USA, was sich dort tut“, sagt Schröder. „Wir haben auch in Deutschland viele tolle Hersteller, die hochwertige Waren produzieren, aber in den Staaten ist das Angebot in diesem Bereich einfach um ein Vielfaches größer.“
PERSÖNLICHER KONTAKT UNERSETZBAR
Ein derart breites Angebot will jedoch auch mit guter Beratung ans Frauchen oder Herrchen gebracht werden. „Natürlich muss man heute das Online-Geschäft im Blick haben, aber für uns ist der persönliche Kontakt unersetzbar“, sagt Anne Schröder. „Viele unserer Kunden kaufen fast nur direkt nach persönlicher Beratung – und wenn sie beim Besuch merken, dass der Laden sehr voll ist, kommen sie auch zu einem späteren Zeitpunkt noch mal wieder.“ Seit dem Start vor knapp zwei Jahren konnte sich das Hundekinder-Team so bereits eine treue Stammkundschaft erarbeiten, die auch untereinander Verbindungen knüpft. „Da haben sich tatsächlich richtige Freundschaften entwickelt, alles über die gemeinsame Liebe zum Hund“, erklärt Schröder. Diese Vernetzung findet zunehmend auch online statt: Obwohl der eigentliche Shop noch in der Entwicklungsphase stecke, sorgen die Hundekinder-Auftritte auf Plattformen wie Facebook und Instagram bereits für viel Resonanz. „Viele Leute schreiben uns einfach so über Facebook an, Fragen nach Beratung und Produkten, und dann kann man sowas auch einfach mal per E-Mail abwickeln“, sagt Anne Schröder mit einem Lachen. „Ist zwar kein so ganz eleganter Online-Shop, aber es funktioniert.“ Star des Social-Media-Auftritts der Hundekinder ist Maria Schröders eigene Hundedame Mini. Als Steffordshire Terrier alles andere als ein Leichtgewicht, fühlt sich Mini in ihrer Rolle als Boutique-Hund und „Dogfluencer“ sichtlich wohl, wenn sie im Laden mit anderen Hunden spielen darf und von Kunden gestreichelt wird, die sie wiedererkennen. „Natürlich ist das super, wenn man die Produkte auch mal an einem so großen Hund sehenkann, der vielleicht dem eigenen Tier auch mehr ähnelt als ein kleiner Chihuahua oder White Terrier aus der TV-Werbung.“
MEHR GELD FÜRS TIER
Einen „Haus-Hund“ treffen Kunden auch bei „Leckermaul“, Fachgeschäft für artgerechte Tiernahrung: Ice heißt der große weiße Hirten-Hund, sein Besitzer ist Arjan Bol. Der Unternehmer hält schon sein Leben lang Hunde. „Meine Eltern hatten immer einen Hund und ich später natürlich auch“, sagt der 57-Jährige. Seine frühere Tatra-Hündin gab auch den Anstoß für sein heutiges Fachgeschäft in Bielefeld-Schildesche. Der gebürtige Niederländer verkauft artgerechte Hunde- und Katzennahrung nach dem „BARF“-Prinzip. Das ist eine Ernährungsmethode, die die Fressgewohnheiten der wilden Vorfahren von Hund und Katze imitiert. Gefüttert wird rohes Muskelfleisch, Knochen, Knorpel, Innereien, Haut und Fell vom „Beutetier“. „Nachdem meine Hündin zum zweiten Mal Welpen bekam, ging es ihr gesundheitlich schlecht. Deshalb habe ich mich näher mit artgerechter Ernährung beschäftigt, um sie wieder aufzubauen und bin so zum ‚Barfen‘ gekommen“, sagt der heutige Geschäftsführer. Einige Jahre später entschied sich Bol, seinen Job als Produktmanager im Marketing aufzugeben und sich komplett auf seine Tier-Leidenschaft zu konzentrieren. Ende 2012 eröffnete Bol das, nach seinen Angaben, erste Geschäft für artgerechte Tiernahrung in Bielefeld – damals noch am Siegfriedplatz. „Obwohl die Ostwestfalen grundsätzlich erst einmal skeptisch sind, habe ich Leckermaul zum Erfolg gebracht.“ Inzwischen ist der Unternehmer mit seinem Geschäft an den Obersee gezogen und konnte seine Verkaufsfläche von 80 auf 200 Quadratmeter vergrößern. „Der Markt für artgerechte Tiernahrung hat definitiv Wachstumspotenzial. Dabei sollte Tierfutter vor einigen Jahren vor allem eins sein: möglichst günstig. In den vergangenen Jahren ist das Interesse der Halter an Alternativen zur industriellen Nahrung allerdings stark angestiegen.“ Inzwischen gebe es ein Umdenken sowohl in der Branche als auch beim Hundebesitzer. Die Menschen seien bereit, mehr für das Futter ihres Tieres auszugeben. Das sei vor allem für kleinere Händler und Futter-Produzenten ein Vorteil gewesen, die sich in der BARF-Nische etablieren konnten. „Mittlerweile haben auch die großen Futtermittelproduzenten den Trend erkannt und bieten mehr BARF-Produkte an. Das verschärft den Wettbewerb natürlich“, schätzt Bol die Marktsituation ein. Zukünftig werde sich der Markt auf wenige Großanbieter von artgerechter Tiernahrung konzentrieren, prognostiziert der Geschäftsführer.
EINKAUFSERLEBNIS MUSS STIMMEN
Um Kunden in das Geschäft zu ziehen, biete „Leckermaul“ inzwischen mehr an, als den reinen Produktverkauf. Kundenberatung und -bindung sowie Service würden immer wichtiger, außerdem müsse das Gesamtpaket stimmen. „Neben dem Fachgeschäft betreibe ich nebenan ein kleines Ladenlokal, in dem Kunden nach dem Einkauf einen Kaffee trinken können“, sagt Bol. „Ebenso ist die Lage direkt am Obersee natürlich ideal, denn die Hundebesitzer können das Einkaufen mit einem Sparziergang und dem Café-Besuch kombinieren.“ Das Thema artgerechte Ernährung sei so stark nachgefragt, dass der Ladeninhaber zusätzliche Workshops zu dem beratungsintensiven Thema anbieten möchte. Kürzlich habe Bol zudem das Sortiment des Fachgeschäfts erweitert. Der Markt für Zubehör und Accessoires wie Leinen oder Halsbänder sei in den vergangenen Jahren „wahnsinnig“ angestiegen. Zukünftig glaubt der Hundeexperte, dass insbesondere der Freizeitmarkt für Hund und Halter wachsen wird. „Hundehalter möchten ihre Freizeit gemeinsam mit ihrem Haustier verbringen. Ich denke dabei besonders an den Hunde-Sport, zum Beispiel Canicross, Dog-Scooting, Mantrailing oder auch Dummy-Training, was den Jagdtrieb des Hundes anspricht. Dafür braucht es die entsprechende Ausstattung wie Geschirre, Leinen, Dummys oder Futterbeutel. Dort sehe ich großes Markt-Potenzial“, zeigt sich Bol optimistisch.
PREMIUM-SEGMENT NIMMT ZU
Abseits von Dog-Walkern sowie Zubehör- und Futterhändlern haben auch einige Hersteller für Nass- und Trockenfutter ihren Produktionssitz in Ostwestfalen. Darunter ist die Firma PetCom Tierernährung GmbH & Co. KG in Minden, ein Tochterunternehmen der PHW-Gruppe, einem Geflügelproduzenten aus dem niedersächsischen Visbek, die unter anderem die Marke „Wiesenhof “ vertreibt. Seit 2006 stellt die Firma in der Mindener Mühle Mischungen von „Economy“ bis „Super Premium“ für die Heimtiernahrung her. Auch aus dem Supermarkt bekannte Tier-Futtermarken wie Cesar, Pedigree, Whiskas oder Sheba werden unter anderem in Minden gefertigt. Dahinter steht das Unternehmen Mars Petcare, Teil der MARS GmbH in Verden, deren Muttergesellschaft Mars Inc. für die gleichnamigen Schokoriegel bekannt ist. Ein Hersteller von Premium-Tiernahrung in der Region ist beispielsweise die Petcura GmbH, ein Tochterunternehmen der Tönnies Gruppe mit Hauptsitz in Rheda-Wiedenbrück. Das Produktportfolio von Petcura erstreckt sich von Nassnahrung in der Dose für Hunde und Katzen über Snacks bis hin zu Naturkauartikel wie Rinderohren oder getrocknete Sprotte. Das Futter wird in einem Werk in Meppen produziert. Um den Produktionsstandort konkurrenzfähig zu machen, habe die Unternehmensgruppe einen mittleren Millionen-Betrag investiert, beispielsweise für den Ausbau der Infrastruktur. Laut Dr. André Vielstädte, Leiter der Tönnies-Unternehmenskommunikation, sinke der Markt für Aquaristik und Kleintiere, während das Segment für Tier- und Katzenfutter wachse. Obwohl der Tiermarkt „hart umkämpft“ sei, sehen die Tönnies-Verantwortlichen speziell im Premium-Segment großes Potenzial. Denn Tierbesitzer seien anspruchsvoll. Neben den Rezepturen legen die Kunden zum Beispiel großen Wert „auf einen hohen Fleischanteil“. Das Rohfutter erhalte das Unternehmen unter anderem aus der Schweine- und Rinderschlachtung des Tönnies-Betriebes in Rheda-Wiedenbrück. „Wir verarbeiten hier frische Ware“, sagt Vertriebsleiter Wolfgang Meissner. Hin und wieder werde auch exotisches Fleisch vom Wasserbüffel von dem einen oder anderen Tierbesitzer nachgefragt. Das Hundefutter „Caneo“ enthalte auf Wunsch Pute oder Lamm, für die Katzenfuttermarke „Calimba“ dürften es schon mal Rinderherzen oder Lachs sein. Für die Produktentwicklung sei eigens ein Spezialist in Meppen zuständig. Beim Premiumfutter würden die Rohstoffe immer wichtiger, für besondere Rezepturen würden auch hochwertige Zusatzprodukte beigemischt – die Palette reiche vom Granatapfel bis zur Preiselbeere. Langfristig wolle das Unternehmen, trotz der vielen großen Mitwettbewerber, nicht nur mit Dosenfutter, 85 bis 800 Gramm, sondern auch mit Kauartikeln und Snacks Nischen im Tiernahrungsmarkt besetzen.
AUSWAHL UND QUALITÄT
Die HUNTER International GmbH aus Bielefeld bietet als Zubehörhersteller neben Tierfuttermitteln und Snacks vornehmlich Halsbänder, Geschirre und Leinen aus unterschiedlichsten Materialien an. Über funktionale und modische Bekleidung und Schlafplätze bis hin zu Pflegeund Hygieneartikeln und Spielzeug – das Gesamtsortiment umfasst aktuell 5.500 verschiedene Artikel. „Junge Marken, die sich im Markt zu etablieren versuchen, fangen erfahrungsgemäß mit einer Sparte an, zum Beispiel Hundebekleidung und versuchen dann, das eigene Sortiment zu erweitern. Aber wirklich ein Vollsortiment in aller Breite und Tiefe anbieten, das können die wenigsten. Denn das ist schon ein enormer Aufwand und erfordert in vielen Bereichen Erfahrung, Wissen und Fingerspitzengefühl“, erklärt Geschäftsführerin Nadine Trautwein. Alle zwei Jahre ziehe HUNTER Resümee, bereinige das Sortiment und nehme neue und innovative Produkte auf. „Unser Bestseller und zugleich der Artikel mit dem höchsten Wiedererkennungswert, national wie international, ist die Serie SWISS. Ein rotes Rindsleder-Halsband mit eingelassenen Schweizer Kreuzen, das es mittlerweile auch in anderen Farben und Variationen gibt. Damit verbindet man, fast schon ironischerweise, weltweit HUN-TER als deutsches Familienunternehmen“, sagt Trautwein. Zudem seien Hunde- und Katzenbesitzer kritischer geworden, wünschen sich größtmögliche Transparenz und Kommunikation auf Augenhöhe und würden vor dem Kauf viele detaillierte Fragen zur Herkunft und Verarbeitung der Produkte stellen. „Wir freuen uns ehrlich gesagt darüber und geben jederzeit gern Auskunft“, versichert die Unternehmerin. Neben dem gesteigerten Bewusstsein der Tierhalter und einer erhöhten Nachfrage nach Qualität „Made in Germany“, ist Trautwein zufrieden mit der Marktentwicklung.
TRENDS IM BLICK
Für die Branche hat Trautwein einen Trend klar vor Augen: „Wir beobachten, dass die Digitalisierung beziehungsweise insbesondere Wearables auch beim Haustier nicht Halt machen. Ohne zu viel verraten zu wollen, aber es wird sich noch einiges tun hinsichtlich der Erfassung von detaillierten Daten zu Bewegung, Gesundheitszustand und Bedürfnissen von Hund und Katze, individualisierten Produktempfehlungen und so weiter. Da sind wir wirklich erst am Anfang und es bleibt spannend“, verspricht die Expertin.
HUNDEMARKT DIGITALISIEREN
„Wir wollen Hunden durch Daten eine Stimme geben“, sagt Lukas Tenge. Der 27-Jährige hat gemeinsam mit seinen Geschäftspartnern Martin Fenkl, Ursula Moos und Mike Langendorf das Bielefelder Start-up CollarCare gegründet. Die Idee dahinter: Der Hundehalter kann den Gesundheitszustand seines Hundes per GPS-Halsband und der CollarCare-App überwachen. „Unsere Intention ist es, die ewige Frage eines jeden Hundehalters zu beantworten: Wie geht es meinem Hund wirklich?“, sagt Tenge. Das digitale Halsband ermittle den Standort und den Bewegungsradius des Hundes. Zusätzlich könne über einen Beschleunigungssensor Aussage über die Ruhe- und Aktivitätszeiten des Hundes getroffen werden. In der App können zudem individuelle Daten wie Rasse, Größe, Gewicht, Alter und Vorerkrankungen eingetragen werden. Basierend auf einer intelligenten Datenbank, die gemeinsam mit Tierärzten entwickelt wird, werden zukünftig die eingegebenen Daten ausgewertet und daraus Ratschläge zur artgerechten Auslastung des Tieres erstellt. „Als digitales Start-up in der Heimtierbranche haben wir eine Pionierstellung auf dem Markt. Bisher wurde gerade im Bereich Tiergesundheit wenig datenbasiert gearbeitet. Das eigene Haustier ist ein sehr emotionales Thema und Hundehalter suchen pro aktiv nach solchen Informationen“, sagt Tenge. Dabei setzen die Entwickler auch auf das Prinzip Gamification: „Mit der App wollen wir die Routine des Gassi-Gehens spielerisch belohnen. Auf einer kleinen ‚Abenteuerreise‘ können zum Beispiel Herausforderungen gelöst und gemeinsam mit dem Hund Punkte erspielt werden“, erläutert Tenge, der sich um Marketing und Sales beim Startup kümmert. „Hundebesitzer sollen die App in ihren Alltag integrieren und spielerisch etwas Gutes für ihren Hund tun. Damit belohnen wir Fürsorge und eine artgerechte Haltung“, ergänzt Geschäftsführer Fenkl.
HEIMTIERMARKT IM UMBRUCH
Die jungen Gründer sind selbst Tier-Fans. Fenkl ist mit Hunden aufgewachsen und Moos, die sich um das Produktdesign kümmert, hat sogar schon nebenberuflich in einer Hundeschule als Hundebetreuerin gearbeitet. Als sich Moos und Tenge in der achtwöchigen „Founders Foundation Academy“ der Bertelsmann Stiftung kennenlernten, war die Idee zu einem gemeinsamen Unternehmen mit dem Fokus „Hund“ geboren. Später kamen der 28-jährige Fenkl als Geschäftsführer und Langendorf als Software-Entwickler hinzu. Seit sechs Monaten arbeiten die vier Jungunternehmer im Accelerator-Programm „Founders Camp“ für die Produktentwicklung. Seit November ist die CollarCare-App kostenlos herunterladbar, das Halsband wird im Frühjahr 2019 verkaufsfertig. „Wir wollten gerne unsere Leidenschaft für Technologie und Software mit unserer Liebe für Hunde kombinieren. Die Digitalisierung hat im Heimtiermarkt noch ein großes Potenzial, denn die Branche ist bisher weniger innovativ als wir es aus anderen Zweigen kennen“, sagt Tenge. Dennoch befinde sich der sonst sehr krisensichere Heimtiermarkt im Umbruch. Das habe viel mit dem veränderten Stellenwert von Haustieren zu tun. „Früher hatten insbesondere Hunde eine ganz konkrete Aufgabe – zum Beispiel als Hütehund. Das hat sich inzwischen stark gewandelt – sie sind Familienmitglieder. Gleichzeitig wird das eigene Haustier humanisiert“, sagt Tenge. „Den Humanisierungsprozess merkt man im Kaufverhalten. Was für den Menschen passt, passt – im übertragenen Sinn – auch für den Hund.“ Die neue Einstellung zum Tier wandle auch das „Geschäft mit dem Tier“ im Allgemeinen. Dadurch würden in Deutschland alle Geschäftsbereiche weiter wachsen und viel Neues hervorbringen. Tier-Zubehör und –accessoires würden individueller, ausgefallener und vielfältiger und sogar manche Lifestyle-Trends der Menschen wie vegane Ernährung würden auf Hunde übertragen. Neue Geschäftsmodelle entstehen, beispielsweise das „Dog-Sitting“, ein großer Trend aus den USA. Auch in Deutschland sei die Tendenz solcher Angebote wachsend. Rund 85 Millionen Hunde leben in Europa, sagt Tenge. Und die Bereitschaft ihrer Besitzer, Geld für ihre Tiere auszugeben, steigt. „Das ist sicherlich auch dem Wohlstand geschuldet. Aber tendenziell geben Hundehalter lieber mehr Geld für ihre Tiere aus als für sich“, sagt Tenge.
ZUKUNFTSVISIONEN
Für die Zukunft haben die CollarCare-Gründer einige Pläne. Nach dem Verkaufsstart des Halsbandes soll die App-Funktionen weiter ausgebaut werden. „Wir planen alle Lebensbereiche des Hundes abzudecken vom Training über Versicherung bis zur Beratung beim Tierarzt per Chat. Außerdem wollen wir Hundehalter untereinander vernetzen“, blickt Tenge in die Zukunft. Dass sie in der Branche bleiben wollen, steht für die Vier fest: „Unsere Erfahrungen in der Heimtierbranche sind bisher sehr positiv. Der Umgang ist locker und immer auf Augenhöhe. Es macht wirklich Spaß“, freut sich Fenkl.
ow Elena Ahler, Simon Neutze, Franziska Stäcker, IHK